Spulen mit Wechselwirteln
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Spulen mit Wechselwirteln
In dem Theoriethread zum zweifädigen Spinnen viewtopic.php?f=19&t=28075 habe ich ein System mit mehrstufigen Wirteln sowohl an der Spule als auch auf dem Flügel beschrieben, das ich für meine Frau erdacht und gebaut habe. Leider erst nach einigen Jahren ist mir ein ziemlich grundsätzlicher Denkfehler von mir aufgefallen.
Die Wirtel der Spule und des Flügels waren insofern falsch aufeinander abgestimmt, dass der Einzug häufig nur durch das „Herunterschalten“ am Flügelwirtel stufenweise erhöht werden konnte. Dadurch war meine Schnellspinnerin gezwungen ihren Komfortbereich zu verlassen, und mit zunehmend voller werdender Spule mit immer kleinerer Übersetzung und somit langsamer zu spinnen. Dabei wäre es richtig, wenn bei einer anfangs gewählten oder erprobten, dem Spinnmaterial gerechten Übersetzung, der Einzug durch das „Hochschalten“ an dem Spulenwirtel dem Füllstand der Spule angepasst werden könnte. Letzteres erfordert viel mehr Rillen am Spulenwirtel, als ich bisher angenommen hatte.
Nach den ersten Skizzen im CAD wurde schnell klar, dass das mit den bisher üblichen fest verbauten Spulenwirteln nicht geht. Solche Wirtel wären viel zu lang gewesen, das würden die u.U. einige Zentimeter weit auseinander gezogenen Parten der Antriebsschnur nicht mitmachen und abspringen. Die logische Konsequenz waren wechselbare Wirtel an der Spule, ich wählte drei fünfstufige Wirtel.
Das Prinzip der Befestigung des Wirtels auf der Spule habe ich mir von der uralten Norm DIN 800 für die Befestigung des Drehfutters an der Spindelnase einer konventionellen Drehmaschine abgeschaut. http://img0113o.popscreencdn.com/164144 ... cheibe.jpg
Eine solche Spindelnase hat ein rechtsdrehendes Außengewinde, direkt hinter dem Gewinde befindet sich ein minimal abgesetzter zylindrischer Zentrierdurchmesser mit einer exakt rechtwinkligen Schulter. Der Futterflansch ist in seinem Inneren zu dieser Form exakt passend gearbeitet. Beim Aufschrauben zentriert sich der Flansch radial an dem Zentrierdurchmesser und axial an der Schulter.
Auf die Spule übertragen bedeutet es, dass sie aus zwei Teilen besteht: Dem Spulenkörper und dem Wirtel.
Der Spulenkörper
ist weitgehend mit dem im Spulenthread (viewtopic.php?f=19&t=29948) Beschriebenen identisch.
Lediglich hat er statt des vorderen Spulenlagers eine lange Messinghülse. Diese vereint in sich die Funktion des Lagers mit der Funktion eines Wirtelträgers. Die Freibohrung D 7,5 mm muss zwingend vor dem Einharzen in den Spulenkern vorgedreht werden, weil die Bearbeitung im zusammengeklebten Zustand ansonsten viel zu kompliziert (wenn nicht sogar unmöglich) wäre.
Nach dem Aushärten des Klebers wird am hölzernen Spulenkern in einer Spannzange gespannt und die Außenkontur der Hülse wird fertiggedreht. Der 1,3 mm breite Gewindefreistich muss vor dem Schneiden des Gewindes M10x0,75 eingestochen werden. Damit insbesondere der Wirtel gut rund läuft, muss zwingend in derselben Einspannung auch die Lagerbohrung gefertigt werden.
Der Absatz für die vordere Spulenscheibe sollte ca. 0,2 mm länger sein als ihre Dicke. Zusätzlich sollte man seine Länge mit einem Mikrospan (ca. 0,05 mm) reduzieren, allerdings radial nur bis zum D 12. So wird sichergestellt, dass später der Kontakt auf der Schulter mit der Planfläche der Wirtelhülse ausschließlich „Metall auf Metall“ erfolgt. Mit Hartöl behandelte ausgetrocknete Holzflächen neigen nämlich beim gegenseitigen Kontakt auch ohne jeglichen Anpressdruck zum Verkleben. An dieser Stelle gibt es bedingt durch das Aufschrauben zusätzlich noch reichlich Anpressdruck, und bereits nach wenigen Minuten wäre das Abschrauben unmöglich. Das ist nicht bloß eine These, sondern eigene leidliche Erfahrung.
Falls man (so wie ich) zu faul ist, einen Einspanndorn aus Metall für die spätere Bearbeitung der Wirtel zu drehen, kann man dafür auch den fertiggedrehten Spulenkern mit der ebenfalls fertiggedrehten Messinghülse verwenden. In einem solchen Fall sollte die vordere Spulenscheibe erst nach dem Fertigstellen aller Wirtel angeklebt und bearbeitet werden.
Das gewählte rechtsdrehende Feingewinde M10x0,75 ist ziemlich exotisch, dabei aber leider notwendig. Sie ist ein Kompromiss zwischen den Anforderungen bezüglich eines möglichst kleinen Außendurchmessers (um möglichst kleine Wirkdurchmesser der Rillen zu ermöglichen) und gleichzeitig eines möglichst großen Kerndurchmessers (damit die Freibohrung bzw. der Spindeldurchmesser noch untergebracht werden können). Würde man z.B. stattdessen ein Regelgewinde M10 wählen, wäre ein Spindeldurchmesser von ¼“ (6,35 mm, typisch für Ashford) nicht mehr möglich.
Eigentlich wäre an dieser Stelle ein Linksgewinde fachmännisch richtig gewesen. Ich hatte aber Angst, dass die hier wirkenden Momente das Gewinde zu fest anziehen könnten, sodass es später nicht gelöst werden kann. Die Wirtel kann man beim Abschrauben nur an den sehr feinen Rillen anpacken, und das kann man nur mit moderater Kraft tun.
Die Wirtel
Die Wirtelkerne aus Messing müssen vor dem Einkleben in die zuvor gebohrten und plangedrehten Rohlinge aus Buche komplett fertig bearbeitet werden. Nach dem Aushärten werden sie auf den in einer Spannzange gehaltenen Spulenkern aufgeschraubt und fertig bearbeitet. Die detaillierte Vorgehensweise kann man dem Spulenthread entnehmen.
Bei dem kleinen Wirtel wären die beiden kleinsten Rillen so nahe an seinem Kern, dass Wandstärken von nur knapp 0,2 bzw. 0,7 mm entstehen würden. Es wäre illusorisch zu erwarten, dass dies auf Dauer bruchfrei im Holz möglich sein könnte. Daher hat hier der Wirtelkern aus Messing vorne einen Kragen, in den man die ersten beiden Rillen nach dem Verkleben mit dem hölzernen Rohling einsticht. Die Länge des Kragens von 5,2 mm ist so gewählt, damit am fertigen Wirtel die Antriebsschnur garantiert außerhalb der Klebefuge zwischen Holz und Messing läuft, und somit konstante Reibungsverhältnisse entlang des Umfangs der Rille herrschen. Dies erfordert neben der notwendigen entsprechenden zylindrischen Senkung im Holzrohling auch eine erhöhte Sorgfalt beim Drehen, besonders die genaue Einhaltung der Längenmaße muss man im Auge behalten.
Die Restarbeiten
umfassen die Fertigung der hinteren Lagerhülse und der beiden Spulenscheiben, die Oberflächenbehandlung und das Einpressen der hinteren Lagerhülse in den fertigen Spulenkörper. Auch hierbei handelt es sich um Teile und Vorgehensweisen, die bereits im Spulenthread beschrieben wurden.
(wird fortgesetzt)
Die Wirtel der Spule und des Flügels waren insofern falsch aufeinander abgestimmt, dass der Einzug häufig nur durch das „Herunterschalten“ am Flügelwirtel stufenweise erhöht werden konnte. Dadurch war meine Schnellspinnerin gezwungen ihren Komfortbereich zu verlassen, und mit zunehmend voller werdender Spule mit immer kleinerer Übersetzung und somit langsamer zu spinnen. Dabei wäre es richtig, wenn bei einer anfangs gewählten oder erprobten, dem Spinnmaterial gerechten Übersetzung, der Einzug durch das „Hochschalten“ an dem Spulenwirtel dem Füllstand der Spule angepasst werden könnte. Letzteres erfordert viel mehr Rillen am Spulenwirtel, als ich bisher angenommen hatte.
Nach den ersten Skizzen im CAD wurde schnell klar, dass das mit den bisher üblichen fest verbauten Spulenwirteln nicht geht. Solche Wirtel wären viel zu lang gewesen, das würden die u.U. einige Zentimeter weit auseinander gezogenen Parten der Antriebsschnur nicht mitmachen und abspringen. Die logische Konsequenz waren wechselbare Wirtel an der Spule, ich wählte drei fünfstufige Wirtel.
Das Prinzip der Befestigung des Wirtels auf der Spule habe ich mir von der uralten Norm DIN 800 für die Befestigung des Drehfutters an der Spindelnase einer konventionellen Drehmaschine abgeschaut. http://img0113o.popscreencdn.com/164144 ... cheibe.jpg
Eine solche Spindelnase hat ein rechtsdrehendes Außengewinde, direkt hinter dem Gewinde befindet sich ein minimal abgesetzter zylindrischer Zentrierdurchmesser mit einer exakt rechtwinkligen Schulter. Der Futterflansch ist in seinem Inneren zu dieser Form exakt passend gearbeitet. Beim Aufschrauben zentriert sich der Flansch radial an dem Zentrierdurchmesser und axial an der Schulter.
Auf die Spule übertragen bedeutet es, dass sie aus zwei Teilen besteht: Dem Spulenkörper und dem Wirtel.
Der Spulenkörper
ist weitgehend mit dem im Spulenthread (viewtopic.php?f=19&t=29948) Beschriebenen identisch.
Lediglich hat er statt des vorderen Spulenlagers eine lange Messinghülse. Diese vereint in sich die Funktion des Lagers mit der Funktion eines Wirtelträgers. Die Freibohrung D 7,5 mm muss zwingend vor dem Einharzen in den Spulenkern vorgedreht werden, weil die Bearbeitung im zusammengeklebten Zustand ansonsten viel zu kompliziert (wenn nicht sogar unmöglich) wäre.
Nach dem Aushärten des Klebers wird am hölzernen Spulenkern in einer Spannzange gespannt und die Außenkontur der Hülse wird fertiggedreht. Der 1,3 mm breite Gewindefreistich muss vor dem Schneiden des Gewindes M10x0,75 eingestochen werden. Damit insbesondere der Wirtel gut rund läuft, muss zwingend in derselben Einspannung auch die Lagerbohrung gefertigt werden.
Der Absatz für die vordere Spulenscheibe sollte ca. 0,2 mm länger sein als ihre Dicke. Zusätzlich sollte man seine Länge mit einem Mikrospan (ca. 0,05 mm) reduzieren, allerdings radial nur bis zum D 12. So wird sichergestellt, dass später der Kontakt auf der Schulter mit der Planfläche der Wirtelhülse ausschließlich „Metall auf Metall“ erfolgt. Mit Hartöl behandelte ausgetrocknete Holzflächen neigen nämlich beim gegenseitigen Kontakt auch ohne jeglichen Anpressdruck zum Verkleben. An dieser Stelle gibt es bedingt durch das Aufschrauben zusätzlich noch reichlich Anpressdruck, und bereits nach wenigen Minuten wäre das Abschrauben unmöglich. Das ist nicht bloß eine These, sondern eigene leidliche Erfahrung.
Falls man (so wie ich) zu faul ist, einen Einspanndorn aus Metall für die spätere Bearbeitung der Wirtel zu drehen, kann man dafür auch den fertiggedrehten Spulenkern mit der ebenfalls fertiggedrehten Messinghülse verwenden. In einem solchen Fall sollte die vordere Spulenscheibe erst nach dem Fertigstellen aller Wirtel angeklebt und bearbeitet werden.
Das gewählte rechtsdrehende Feingewinde M10x0,75 ist ziemlich exotisch, dabei aber leider notwendig. Sie ist ein Kompromiss zwischen den Anforderungen bezüglich eines möglichst kleinen Außendurchmessers (um möglichst kleine Wirkdurchmesser der Rillen zu ermöglichen) und gleichzeitig eines möglichst großen Kerndurchmessers (damit die Freibohrung bzw. der Spindeldurchmesser noch untergebracht werden können). Würde man z.B. stattdessen ein Regelgewinde M10 wählen, wäre ein Spindeldurchmesser von ¼“ (6,35 mm, typisch für Ashford) nicht mehr möglich.
Eigentlich wäre an dieser Stelle ein Linksgewinde fachmännisch richtig gewesen. Ich hatte aber Angst, dass die hier wirkenden Momente das Gewinde zu fest anziehen könnten, sodass es später nicht gelöst werden kann. Die Wirtel kann man beim Abschrauben nur an den sehr feinen Rillen anpacken, und das kann man nur mit moderater Kraft tun.
Die Wirtel
Die Wirtelkerne aus Messing müssen vor dem Einkleben in die zuvor gebohrten und plangedrehten Rohlinge aus Buche komplett fertig bearbeitet werden. Nach dem Aushärten werden sie auf den in einer Spannzange gehaltenen Spulenkern aufgeschraubt und fertig bearbeitet. Die detaillierte Vorgehensweise kann man dem Spulenthread entnehmen.
Bei dem kleinen Wirtel wären die beiden kleinsten Rillen so nahe an seinem Kern, dass Wandstärken von nur knapp 0,2 bzw. 0,7 mm entstehen würden. Es wäre illusorisch zu erwarten, dass dies auf Dauer bruchfrei im Holz möglich sein könnte. Daher hat hier der Wirtelkern aus Messing vorne einen Kragen, in den man die ersten beiden Rillen nach dem Verkleben mit dem hölzernen Rohling einsticht. Die Länge des Kragens von 5,2 mm ist so gewählt, damit am fertigen Wirtel die Antriebsschnur garantiert außerhalb der Klebefuge zwischen Holz und Messing läuft, und somit konstante Reibungsverhältnisse entlang des Umfangs der Rille herrschen. Dies erfordert neben der notwendigen entsprechenden zylindrischen Senkung im Holzrohling auch eine erhöhte Sorgfalt beim Drehen, besonders die genaue Einhaltung der Längenmaße muss man im Auge behalten.
Die Restarbeiten
umfassen die Fertigung der hinteren Lagerhülse und der beiden Spulenscheiben, die Oberflächenbehandlung und das Einpressen der hinteren Lagerhülse in den fertigen Spulenkörper. Auch hierbei handelt es sich um Teile und Vorgehensweisen, die bereits im Spulenthread beschrieben wurden.
(wird fortgesetzt)
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Re: Spulen mit Wechselwirteln
Benutzung und Einsatzmöglichkeiten
Grundsätzlich ist es so, dass man an dem Flügelwirtel die Übersetzung und somit den Drall des Spinnfadens wählt. Der Spulenwirtel bestimmt (zusammen mit den Profilen der Rillen an beiden Wirteln) die Einzugstärke. Letztere ändert sich kontinuierlich abhängig von Füllstand der Spule, und auch dieser Tatsache muss Rechnung getragen werden.
Die nachfolgende Tabelle zeigt die Einzugsverhältnisse der einzelnen Rillen der drei Spulenwirtel zu den jeweiligen Rillen der Flügelwirtel. Dabei würde 100% für identische Wirkdurchmesser des Spulen- und des Flügelwirtels gelten. Lt. Literaturangaben liegt das noch sinnvolle Minimum bei einem Unterschied von 12% bis 20%. Dies entspricht in der Tabelle den Werten zwischen 112% und 120%. Diese Werte sind allenfalls für Sonderanwendungen brauchbar, und sind daher gestrichelt durchgestrichen. Die Übersetzungsangaben (3. Spalte von links) gelten für den Einsatz am Ashford Traveller mit dem Schwungraddurchmesser von ca. 460 mm. Bei einem anderen AD des Schwungrads (wie z.B. beim Tradi mit seinem ca. 560 mm Schwungrad) würde man andere Übersetzungen erhalten. An den Einzugsverhätnissen würde sich dennoch nichts ändern, denn die resultieren ausschließlich von den Wirteln an dem Flügel und an der Spule.
Die Abstimmung sowohl der Übersetzungen als auch der Einzugsverhältnisse ist auf die Spinnvorlieben meiner Frau maßgeschneidert. Es ist möglich, sogar wahrscheinlich, dass eine andere Spinnerin mit anders abgestimmtem System besser klar kommen würde.
In der Praxis sieht es (zumindest bei uns) so aus, dass man abhängig von den zu erwartenden Eigenschaften des Fasermaterials aus den 19 Möglichen eine Übersetzung wählt, die die zwei Flügelwirtel bieten. Entweder aus der Erfahrung oder nach der obigen Tabelle wählt man denjenigen Spulenwirtel, der den geschätzt notwendigen Einzug sicherstellt. Im Hinterkopf behält man die Tatsache, dass man während des Spinnens später mehr Einzug benötigen wird.
Beispiel (in der obigen Tabelle durch Fettschrift hervorgehoben): Man möchte einen eher unkomplizierten Kammzug aus Merino mit Seide verspinnen und der Komfortbereich der Spinnerin liegt bei einer Übersetzung von 16,7:1. Dem entspricht die Rille „F“ in der Mitte des kleineren Flügelwirtels. Aus Erfahrung weiß man, dass man eher mehr Einzug bevorzugt, vielleicht 40 bis 60%. Weil bereits der mittlere Spulenwirtel bei der gewählten Übersetzung nur noch 38% Einzug auf seiner kleinsten Rille bietet, schraubt man direkt den kleinsten Wirtel auf die Spule auf, und legt die Antriebsschnur in seine zweitgrößte Rille. Nach dem ersten Spinnversuch ist man womöglich noch nicht ganz zufrieden (vielleicht verhält sich die Seide in der Mischung doch anders als erwartet), und man hängt die Antriebsschnur am Spulenwirtel in die mittlere Rille um. So kann man dann relativ lange zufriedenstellend spinnen, eventuelle feine Korrekturen des Einzugs kann man durch das Nachstellen der Antriebsfadenspannung wie gewohnt vornehmen.
Kleinere Spulen wie z.B. die Ashford Standardspule können bei dieser Einstellung i.d.R. voll gesponnen werden. Bei größeren Spulen stehen noch zwei kleinere Rillen auf dem Spulenwirtel zur Verfügung, die mehr Einzug bieten.
Das ganze schreibt und liest sich deutlich komplizierter als es in Wirklichkeit ist.
Falls man eher langsameres Spinnen bevorzugt, wäre theoretisch auch möglich, bei Bedarf den Spulenwirtel gegen einen anderen zu tauschen. Das ist zwar mit einem Spulenwechsel vergleichbar und somit etwas umständlich, kann aber ein Spinnprojekt noch retten. Bei uns war dies allerdings noch nie der Fall.
Natürlich ist der Fertigungsaufwand für eine solche Spule gegenüber einer „konventionellen“ ums Vielfache größer. Der Zuwachs an Arbeitsschritten und vor allem an der erforderlichen Fertigungsgenauigkeit ist schon ordentlich. Es handelt sich jedoch um einen einmaligen Mehraufwand beim Herstellen, der sowohl die Einsatzmöglichkeiten als auch den Spinnkomfort nachhaltig erweitert. Somit betrachte ich es dennoch als lohnend. Darüber hinaus relativiert sich der Mehraufwand sobald man mehrere Spulenkörper herstellen möchte, denn die Wirtel sind ja bereits fertig, und können beliebig auf alle vorhandenen Spulenkörper aufgeschraubt werden.
Ein unbestrittener Nachteil aus physikalischer Sicht ist das höhere Gewicht, das mit Sicherheit die lange Messinghülse mit sich bringt. Für superfeine Singles ist eine herkömmliche Spule mit einem fest angeklebten Spulenwirtel besser geeignet. Wechselbare Spulenwirtel erweitern dagegen die Palette der Möglichkeiten um einiges. Man kann die Übersetzung nun wirklich frei wählen, und trotz des naturgemäß nachlassenden Einzugs bis zum Erreichen des Füllstands beibehalten. Und das bei (fast) jeder zur Verfügung stehenden Übersetzung.
Gruß
Borek
Grundsätzlich ist es so, dass man an dem Flügelwirtel die Übersetzung und somit den Drall des Spinnfadens wählt. Der Spulenwirtel bestimmt (zusammen mit den Profilen der Rillen an beiden Wirteln) die Einzugstärke. Letztere ändert sich kontinuierlich abhängig von Füllstand der Spule, und auch dieser Tatsache muss Rechnung getragen werden.
Die nachfolgende Tabelle zeigt die Einzugsverhältnisse der einzelnen Rillen der drei Spulenwirtel zu den jeweiligen Rillen der Flügelwirtel. Dabei würde 100% für identische Wirkdurchmesser des Spulen- und des Flügelwirtels gelten. Lt. Literaturangaben liegt das noch sinnvolle Minimum bei einem Unterschied von 12% bis 20%. Dies entspricht in der Tabelle den Werten zwischen 112% und 120%. Diese Werte sind allenfalls für Sonderanwendungen brauchbar, und sind daher gestrichelt durchgestrichen. Die Übersetzungsangaben (3. Spalte von links) gelten für den Einsatz am Ashford Traveller mit dem Schwungraddurchmesser von ca. 460 mm. Bei einem anderen AD des Schwungrads (wie z.B. beim Tradi mit seinem ca. 560 mm Schwungrad) würde man andere Übersetzungen erhalten. An den Einzugsverhätnissen würde sich dennoch nichts ändern, denn die resultieren ausschließlich von den Wirteln an dem Flügel und an der Spule.
Die Abstimmung sowohl der Übersetzungen als auch der Einzugsverhältnisse ist auf die Spinnvorlieben meiner Frau maßgeschneidert. Es ist möglich, sogar wahrscheinlich, dass eine andere Spinnerin mit anders abgestimmtem System besser klar kommen würde.
In der Praxis sieht es (zumindest bei uns) so aus, dass man abhängig von den zu erwartenden Eigenschaften des Fasermaterials aus den 19 Möglichen eine Übersetzung wählt, die die zwei Flügelwirtel bieten. Entweder aus der Erfahrung oder nach der obigen Tabelle wählt man denjenigen Spulenwirtel, der den geschätzt notwendigen Einzug sicherstellt. Im Hinterkopf behält man die Tatsache, dass man während des Spinnens später mehr Einzug benötigen wird.
Beispiel (in der obigen Tabelle durch Fettschrift hervorgehoben): Man möchte einen eher unkomplizierten Kammzug aus Merino mit Seide verspinnen und der Komfortbereich der Spinnerin liegt bei einer Übersetzung von 16,7:1. Dem entspricht die Rille „F“ in der Mitte des kleineren Flügelwirtels. Aus Erfahrung weiß man, dass man eher mehr Einzug bevorzugt, vielleicht 40 bis 60%. Weil bereits der mittlere Spulenwirtel bei der gewählten Übersetzung nur noch 38% Einzug auf seiner kleinsten Rille bietet, schraubt man direkt den kleinsten Wirtel auf die Spule auf, und legt die Antriebsschnur in seine zweitgrößte Rille. Nach dem ersten Spinnversuch ist man womöglich noch nicht ganz zufrieden (vielleicht verhält sich die Seide in der Mischung doch anders als erwartet), und man hängt die Antriebsschnur am Spulenwirtel in die mittlere Rille um. So kann man dann relativ lange zufriedenstellend spinnen, eventuelle feine Korrekturen des Einzugs kann man durch das Nachstellen der Antriebsfadenspannung wie gewohnt vornehmen.
Kleinere Spulen wie z.B. die Ashford Standardspule können bei dieser Einstellung i.d.R. voll gesponnen werden. Bei größeren Spulen stehen noch zwei kleinere Rillen auf dem Spulenwirtel zur Verfügung, die mehr Einzug bieten.
Das ganze schreibt und liest sich deutlich komplizierter als es in Wirklichkeit ist.
Falls man eher langsameres Spinnen bevorzugt, wäre theoretisch auch möglich, bei Bedarf den Spulenwirtel gegen einen anderen zu tauschen. Das ist zwar mit einem Spulenwechsel vergleichbar und somit etwas umständlich, kann aber ein Spinnprojekt noch retten. Bei uns war dies allerdings noch nie der Fall.
Natürlich ist der Fertigungsaufwand für eine solche Spule gegenüber einer „konventionellen“ ums Vielfache größer. Der Zuwachs an Arbeitsschritten und vor allem an der erforderlichen Fertigungsgenauigkeit ist schon ordentlich. Es handelt sich jedoch um einen einmaligen Mehraufwand beim Herstellen, der sowohl die Einsatzmöglichkeiten als auch den Spinnkomfort nachhaltig erweitert. Somit betrachte ich es dennoch als lohnend. Darüber hinaus relativiert sich der Mehraufwand sobald man mehrere Spulenkörper herstellen möchte, denn die Wirtel sind ja bereits fertig, und können beliebig auf alle vorhandenen Spulenkörper aufgeschraubt werden.
Ein unbestrittener Nachteil aus physikalischer Sicht ist das höhere Gewicht, das mit Sicherheit die lange Messinghülse mit sich bringt. Für superfeine Singles ist eine herkömmliche Spule mit einem fest angeklebten Spulenwirtel besser geeignet. Wechselbare Spulenwirtel erweitern dagegen die Palette der Möglichkeiten um einiges. Man kann die Übersetzung nun wirklich frei wählen, und trotz des naturgemäß nachlassenden Einzugs bis zum Erreichen des Füllstands beibehalten. Und das bei (fast) jeder zur Verfügung stehenden Übersetzung.
Gruß
Borek
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- shorty
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Re: Spulen mit Wechselwirteln
wow !!! Immer wieder genial
Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst du im Heute von Neuem beginnen.
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- Vlies
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Re: Spulen mit Wechselwirteln
Wieder eine perfekt dokumentierte Präzisionsarbeit mit guter Grundidee!
Ich vermute, daß das zusätzliche Gewicht der vergrößerten Messinghülse im Betrieb kaum auffällt, weil die Masse achsennah liegt und dadurch kaum Drehmoment verbraucht oder abgibt. Solange die Klemmkräfte des fest gedrehten Wirtels das Drehmoment im Betrieb übersteigen ist der Einsatz der "falschen" Gewindedrehrichtung vermutlich machbar.
Ich tippe mal darauf, daß das Ziel dieser Multigrößenwirtel ist, das Verhältnis vom Außendurchmesser der Wicklung zum Wirteldurchmesser konstant zu halten. Konstant meint hier, daß je Meter Treibriemen immer die gleiche Fadenlänge "genommen" werden kann, um den Drall vom ersten zum letzten Meter möglichst ähnlich zu halten.
Ich hatte mal kurz darüber nachgedacht, ob es weitere sinnvolle Möglichkeiten der Kupplung von Wirtel und Spule gibt. Beide brauchen aber eine separate Mutter, um den Wirtel auf der Hohlwelle zu sichern, was aber deutlich von der wertvollen Wellenlänge kostet. Mit einer Art Zapfwelle würde man noch mehr Messing verbrauchen und wenn man dem Wirtel Nocken und der Spule Löcher verpasst, dann kommen die Seitenflächen doch wieder in (zu) engen Kontakt. Die Gewindelösung ist somit (nahezu) optimal.
In jedem Fall wünsche ich ein immer "flüssiges" Spinnen mit dem neuen Wechselwirtel.
Ich vermute, daß das zusätzliche Gewicht der vergrößerten Messinghülse im Betrieb kaum auffällt, weil die Masse achsennah liegt und dadurch kaum Drehmoment verbraucht oder abgibt. Solange die Klemmkräfte des fest gedrehten Wirtels das Drehmoment im Betrieb übersteigen ist der Einsatz der "falschen" Gewindedrehrichtung vermutlich machbar.
Ich tippe mal darauf, daß das Ziel dieser Multigrößenwirtel ist, das Verhältnis vom Außendurchmesser der Wicklung zum Wirteldurchmesser konstant zu halten. Konstant meint hier, daß je Meter Treibriemen immer die gleiche Fadenlänge "genommen" werden kann, um den Drall vom ersten zum letzten Meter möglichst ähnlich zu halten.
Ich hatte mal kurz darüber nachgedacht, ob es weitere sinnvolle Möglichkeiten der Kupplung von Wirtel und Spule gibt. Beide brauchen aber eine separate Mutter, um den Wirtel auf der Hohlwelle zu sichern, was aber deutlich von der wertvollen Wellenlänge kostet. Mit einer Art Zapfwelle würde man noch mehr Messing verbrauchen und wenn man dem Wirtel Nocken und der Spule Löcher verpasst, dann kommen die Seitenflächen doch wieder in (zu) engen Kontakt. Die Gewindelösung ist somit (nahezu) optimal.
In jedem Fall wünsche ich ein immer "flüssiges" Spinnen mit dem neuen Wechselwirtel.
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Re: Spulen mit Wechselwirteln
Vielen Dank für Euer Interesse.
Bei 2F erhöht man aus demselben Grund die Spannung der Antriebsschnur. Beides belastet mit zusätzlicher radialer Kraft sämtliche Lagerungen, und das Rad wird weniger leichtgängig. Man kann Ähnliches aber auch mit einem größeren Gefälle zwischen dem Flügel- und dem Spulenwirtel bewirken. Dann braucht man theoretisch die Spannung der Antriebsschnur nicht zu erhöhen, praktisch doch, aber deutlich weniger. Darin liegt auch die Bedeutung des Stufenwirtels auf der Spule.
Würde man es bei nur einer Rille (=nur einer Übersetzung) auf dem Flügelwirtel belassen, wäre das Problem mit einem Mehrfachwirtel auf der Spule bereits gelöst. Das wäre aber nicht praxisgerecht und wenig komfortabel, denn es gibt z.T. deutliche Unterschiede in der Verarbeitung von unterschiedlichen Fasern. Also sollte auch der Flügelwirtel möglichst viele Rillen haben (=möglichst viele Möglichkeiten bieten).
Damit wird es allerdings (konstruktiv) komplizierter. Vor dem Hintergrung der geometrischen Einschränkungen (man kann nicht endlos viele Rillen an beiden Wirteln haben) sehe ich nur 3 Lösungswege:
1) Man akzeptiert das Herunterschalten am Flügelwirtel und somit die unterschiedlichen Übersetzungen während des Vollspinnens einer Spule.
2) Man hat ansonsten identische Spulen mit unterschiedlich großen Stufenwirteln zu einem Flügelwirtel. Oder anders herum, man koppelt eine Standardspule mit einer Reihe von Flügelwirteln.
3) 1 bis 2 Flügelwirtel kombiniert man mit wechselbaren Wirteln an der Spule.
Wir haben uns von 1) und 2) konstruktiv und praktisch zu 3) durchgearbeitet.
Vor etlichen Jahren habe ich dem Kromski Sonata (einfädig, spulengebremst) wechselbare Wirtel verpasst, siehe viewtopic.php?p=475124#p475124. Dort habe ich die Schnittstelle zwischen dem eigentlichen Flügel und dem Wirtel mit Neodym-Stiftmagneten gelöst. Die Mitnahme war über Stahlbuchsen formschlüssig sichergestellt.
Diesen Lösungsansatz habe ich bei den Spulen allerdings verworfen. Der kleine Wirtel ist von seinem Durchmesser her zu klein für sowas, und auch die nur 4 mm Wandstärke bei der Spulenscheibe schienen mir zu schwach zu sein.
Daher habe ich mich letztendlich für die Verbindung über das Gewinde entschieden.
Gruß
Borek
Falls Du damit einen halbwegs konstanten Einzug vom "leer" bis "voll" meinst, liegst Du absolut richtig. Der Tatsache, dass sich der Einzug grundsätzlich mit voller werdenden Spule verringert, wirkt man bei einfädigen Rädern mit dem Anziehen der Bremse entgegen. Eine super Analyse dazu von der Webseite von Spinnkreis Retschow (http://www.spinnkreis-retschow.de/physik_einzug.html) hat in einem Parallelthread Liseltechniker verlinkt.Glaskocher hat geschrieben: ↑28.02.2022, 09:53...Ich tippe mal darauf, daß das Ziel dieser Multigrößenwirtel ist, das Verhältnis vom Außendurchmesser der Wicklung zum Wirteldurchmesser konstant zu halten. Konstant meint hier, daß je Meter Treibriemen immer die gleiche Fadenlänge "genommen" werden kann, um den Drall vom ersten zum letzten Meter möglichst ähnlich zu halten.
...
Bei 2F erhöht man aus demselben Grund die Spannung der Antriebsschnur. Beides belastet mit zusätzlicher radialer Kraft sämtliche Lagerungen, und das Rad wird weniger leichtgängig. Man kann Ähnliches aber auch mit einem größeren Gefälle zwischen dem Flügel- und dem Spulenwirtel bewirken. Dann braucht man theoretisch die Spannung der Antriebsschnur nicht zu erhöhen, praktisch doch, aber deutlich weniger. Darin liegt auch die Bedeutung des Stufenwirtels auf der Spule.
Würde man es bei nur einer Rille (=nur einer Übersetzung) auf dem Flügelwirtel belassen, wäre das Problem mit einem Mehrfachwirtel auf der Spule bereits gelöst. Das wäre aber nicht praxisgerecht und wenig komfortabel, denn es gibt z.T. deutliche Unterschiede in der Verarbeitung von unterschiedlichen Fasern. Also sollte auch der Flügelwirtel möglichst viele Rillen haben (=möglichst viele Möglichkeiten bieten).
Damit wird es allerdings (konstruktiv) komplizierter. Vor dem Hintergrung der geometrischen Einschränkungen (man kann nicht endlos viele Rillen an beiden Wirteln haben) sehe ich nur 3 Lösungswege:
1) Man akzeptiert das Herunterschalten am Flügelwirtel und somit die unterschiedlichen Übersetzungen während des Vollspinnens einer Spule.
2) Man hat ansonsten identische Spulen mit unterschiedlich großen Stufenwirteln zu einem Flügelwirtel. Oder anders herum, man koppelt eine Standardspule mit einer Reihe von Flügelwirteln.
3) 1 bis 2 Flügelwirtel kombiniert man mit wechselbaren Wirteln an der Spule.
Wir haben uns von 1) und 2) konstruktiv und praktisch zu 3) durchgearbeitet.
Darüber habe ich ziemlich lange nachgedacht.Glaskocher hat geschrieben: ↑28.02.2022, 09:53...Ich hatte mal kurz darüber nachgedacht, ob es weitere sinnvolle Möglichkeiten der Kupplung von Wirtel und Spule gibt. Beide brauchen aber eine separate Mutter, um den Wirtel auf der Hohlwelle zu sichern, was aber deutlich von der wertvollen Wellenlänge kostet. Mit einer Art Zapfwelle würde man noch mehr Messing verbrauchen und wenn man dem Wirtel Nocken und der Spule Löcher verpasst, dann kommen die Seitenflächen doch wieder in (zu) engen Kontakt. Die Gewindelösung ist somit (nahezu) optimal.
...
Vor etlichen Jahren habe ich dem Kromski Sonata (einfädig, spulengebremst) wechselbare Wirtel verpasst, siehe viewtopic.php?p=475124#p475124. Dort habe ich die Schnittstelle zwischen dem eigentlichen Flügel und dem Wirtel mit Neodym-Stiftmagneten gelöst. Die Mitnahme war über Stahlbuchsen formschlüssig sichergestellt.
Diesen Lösungsansatz habe ich bei den Spulen allerdings verworfen. Der kleine Wirtel ist von seinem Durchmesser her zu klein für sowas, und auch die nur 4 mm Wandstärke bei der Spulenscheibe schienen mir zu schwach zu sein.
Daher habe ich mich letztendlich für die Verbindung über das Gewinde entschieden.
Gruß
Borek