wollenes Gewand

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Moderator: Rolf_McGyver

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Christian
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wollenes Gewand

Beitrag von Christian » 19.12.2021, 23:52

Kennt wer die Turfanhose? Der Link ist sehenswert.
https://www.youtube.com/watch?v=AX99SVz-EZE
Man liest öfters dass die Leute, gerade früher, viel mehr Obergewand aus Wolle angehabt haben. Die Erfahrung kann einem Keiner abnehmen, also ab in die Wolle. Um nicht Kilometerweise Garn spinnen zu müssen und dann draufkommen dass der Ansatz schon falsch war, helft mir doch :O
Bitte teilt eure Erfahrungen mit Gewand aus Wolle. Feinheit, Zwirn oder nicht, Kettdichte, Bindung, Schnitt, Verarbeitung, Untergewand

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Rolf_McGyver
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Re: wollenes Gewand

Beitrag von Rolf_McGyver » 20.12.2021, 12:40

eine sehr informative Doku!

hirngespinst
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Re: wollenes Gewand

Beitrag von hirngespinst » 03.01.2022, 16:31

Ohne eigene Erfahrung vermute ich sehr, dass der überwiegende Teil der Kleidung aus ziemlich feinem Garn hergestellt wurde. Gerade für eine Hose braucht man strapazierfähiges Material, entsprechend viel Drall muss das Garn haben und das macht in meinen Augen nur bei dünnen Fäden Sinn. Dazu Fasern mit langem Stapel, ideal als reines Kettgarn (gekämmt, im kurzen Auszug gespaonnen) und vermutlich überwiegend als Köper verwebt, um das Gewebe moglichst elastisch zu bekommen bei hoher Stabilität.

Ich finde die Dokumentation zu der alten Hose total spannend und habe auch mit mit der Idee des nachbaus geliebäugelt - allerdings wird es bei mir wohl ein Hirngespinst bleiben ;)

ich wünsche dir viel Erfolg!

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Re: wollenes Gewand

Beitrag von Glaskocher » 03.01.2022, 23:57

Es wurde zu einem anderen Projekt, der Rekonstruktion der Kleidung vom Bockstensmann, zur Mithilfe aufgerufen. Die Kleidung bestand zum großen Teil aus wollenem gewebtem Tuch. Irgendwo im Netz müßte es Dokumentationen und Diskussionen dazu geben. Aus dieser Erkenntnis müßte man schöpfen können, um vergleichbare Projekte (historische Rekonstruktionen) durchführen zu können.

Neben der Feinheit des Gesponnenen sollte man auch die Tierart und eine "zeitgemäße" Rasse zuerst bestimmen. Dann kommt die Vorbereitung der Fasern für das Spinnen. Dies sollte möglichst auch mit historisch belegten Spinnwerkzeugen geschehen, um die "feinstofflichen" Eigenschaften des Garnes zu erhalten. Auch die weitere Verarbeitung, Färbung und bis zum fertigen Stück sollte möglichst nahe am historischen Vorbild stehen. Daß das Ganze auch ordentlich dokumentiert werden sollte versteht sich von selbst.

Mit deutlich weniger Aufwand lassen sich LARP-taugliche Kleidungsstücke herstellen.

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Re: wollenes Gewand

Beitrag von marled » 04.01.2022, 09:05

Die Frage ist sehr allgemein. Soll es ein modernes Kleidungsstück sein, das man heute tragen kann? oder ein Kleidungsstück das einer vergangenen Zeit zugeordnet werden kann? Soll es in Mitteleuropa entstanden sein? Zu welchem Zweck?
Um dir da Anregungen zu geben, müsstest du vorher diese Fragen beantworten.
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Näheres auf meinem Blog:
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Re: wollenes Gewand

Beitrag von Christian » 06.03.2022, 19:09

@Alle
In der Hauptsache soll es eine Rückbesinnung an unsere Vorfahren werden, kann ja nicht sein dass Unsereiner nicht Gewand in solcher Qualität machen kann :lol:
Mir gefällt wie diese Hose aus 3 Teilen gemacht ist, auf Form weben trau ich mich aber nicht...Geht im Trittwebstuhl wahrscheinlich auch nicht so gut?
Ich hätt gedacht dass ich den Zwickel und Bund leinwandbindig web, auf Köper für die Beine umschnür, wieder auf Leinwand für den nächsten Bund umschnüren, und wieder auf Köper(hab nur 80cm Breite zur Verfügung, wär auch gleich eine gute Übung). Hat wer eine bessere Idee?
wie fein ist fein?
DSC07614.JPG
Das sind die ersten Gehversuche in Richtung feinen Zwirn. Ich hab Wolle vom Ostfriesischen Milchschaf, wahrscheinlich aber nicht nur, da ist Braune, Schwarze und Graue im Sack gewesen. Egal, ich hab das mal so zusammengekämmt, wie ich finde wird das auch ganz schön meliert.
Ich würd den 70/10er Kamm doppelt stechen bei einem Köper, recht viel feiner(zum 3fach Stich) wirds wohl nicht werden. Will ich auch nicht, die Hose soll ja auch noch warm sein und was aushalten, also nicht gleich durchwetzen. Und glockig soll sie werden :D
Ich hätt schon vor, wenn's was wird, sie für den täglichen Gebrauch zu nutzen, wie früher eben.

der passive Wollkamm ist fertig, der Aktive folgt. Kämme aus Hirschhorn sind soweit ich weiß seit "Urzeiten" belegt
Man siehe den Schweißdraht nach^^
DSC07617.JPG
Ich werd das Garn auch am Rad spinnen, Handspindeln tu ich mir nicht an...die Turfanhosenreplik ist ja auch am Rad ersponnen worden. Da frag ich mich wie "A" ist "A" ? ?(
@?Glaskocher
bitte führ das mit der LARP-Kleidung weiter aus, inwieweit sie einfacher zu machen ist. Ich hab zwar eine grobe Idee was LARP ist, hab aber keinen Bezug dazu.
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Re: wollenes Gewand

Beitrag von Glaskocher » 06.03.2022, 20:40

LARP = Live Action Role Playing bedeutet, daß man sich in einem Rollenspiel bewegt. Das hat oft weniger strenge Regeln in Sachen Authentizität "A" als das Reenactement (englisch für ‚Wiederaufführung', ‚Nachstellung'). Bei letzterem versucht man so nahe wie möglich am historischen Vorbild zu bleiben.

Beim Weben habe ich persönlich wenig Erfahrung. Ich verstehe das "Auf Form Weben" mal so, daß man nur die Teile vom Stoff webt, die später auch den fertigen Zuschnitt bilden. Bei der Hose könnte man also zwischen den Beinen einen Spalt mit einweben. Aber ich denke mal, daß es reicht, wenn man die Außenkontur von Vorder- und Rückseite webt. Dabei kann die Stoffbreite nach unten eventuell etwas schmaler werden und man spart die Hälfte vom Garn (=Schußfäden)für die Differenz zum Rechteck. Das ist vermutlich die Idee hinter dem Formweben neben der selbstsichernden Stoffkante, die kaum versäumt werden muß.

Wenn Du mit Köper für die Hosenbeine beginnst, dann auf Leinwand umbaust und damit Bund, Zwickel und Bund webst, dann brauchst Du nur noch einmal auf Köper umzubauen, bis Alles fertig ist. Man muß nur ein Bisschen puzzeln, um die Teile so zu drehen, daß es gut passt. Ich finde es interessant, im Webstück die Bindung zu wechseln. Das ist echt selten. Um Leinwand und Köper zu vereinen mußt Du sicher einige Schäfte mehr haben, als nur für Köper (vermute ich). Aber das wird man dem fertigen Gewebe kaum noch ansehen.


Die Kämme aus Hirschhorn sehen interessant aus. "A" wäre, wenn die Zinken handgeschmiedet sind. Aber zur Funktion wichtiger ist, daß die Geometrie stimmt. Beim Arbeiten wird die Wolle kaum merken, daß die Zinken nicht geschmiedet sind. Oft wird die gekämmte Wolle durch einen Dizz vom Kamm abgezogen. Das ist ein Plättchen mit einem Loch drin, durch das die Wollfasern gezogen werden. Es ergibt sich ein dünnes Band, aus dem man ein sehr feines Garn spinnen kann. Im Kamm werden kürzere Fasern und sonstiges pflanzliches Material verbleiben (oder herunter fallen).

Mit 16 Fäden je Zentimeter ist das gezwirnte Garn schon sehr fein. Auch die melierte Farbe müßte eher den älteren Rassen entsprechen, da das weiße Schaf erst später gezüchtet wurde. Ob das Garn am Rad oder auf der Handspindel gesponnen wurde wird man kaum merken. Da müßte man schon sehr genau wissen, nach welchen Unterschieden man suchen muß.

Spinnst Du im langen oder im kurzen Auszug? Je kürzer die Faser, desto eher arbeitet man im langen Auszug und umgekehrt. Der kurze Auszug zupft in kurzen Abständen (max. halbe Stapellänge) die Fasern aus dem Vorrat. Beim langen Auszug läßt man etwas Drall in Richtung Faservorrat laufen, der dann ausreichend viele neue Fasern in den Fadenanfang mit eindreht und beim Ausziehen mitnimmt. (Kurzversion)

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