Historischer Bezug zum Spinnen

Allgemeines zum Thema Spinnen (Spinnfasertypen, geschichtliches, ...)

Moderator: Claudi

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Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von Artemis » 26.05.2009, 09:26

Kalypta hat geschrieben: Ich weiß nicht warum aber bei mir ist es so, dass ich durch das Spinnen zurück gedacht habe in die Mittelalterzeit und mich versuche in die Damen die da mit ihren handspindeln dagesessen haben, reinzuversetzen und genau diese Gedanken machen mich so "heiß" auf das spinnen. Mir gefällt es und ich hab dazu einen Bezug zum Mittelalter gefunden was noch viel schöner ist. Geht euch das vielleicht ähnlich? Ihr sitzt am Spinnrad oder an eurer Handspindel und denkt an die Zeit zurück wo das Leben mit einem König am Hofe eines Schlosses völlig normal war? Wo jedes Stück Stoff aus feinster Handarbeit entstanden ist? Boah, mein Herz schlägt da höher *gg*
Ich kann meinen Eifer dafür grad gar nicht beschreiben, aber vielleicht geht euch das ja ähnlich!
Ich fand das Thema so interessant, wollte aber nicht in dem zitierten Thread anfangen OT zu labern.

Irgendwie hat Kalypta ja recht - heutzutage spinnt man ja nur noch aus Spaß an der Freude, als Hobby und zum Zeitvertreib. Kein Zwang, kein Druck. Da stelle ich es mir doch hart vor, wenn ich nun spinnen muss, um im nächsten Jahr warm zu haben. Kein Bock gibts nicht, spinnen und Weben war teilweise die Arbeit, die die meiste Zeit der Frauen in Beschlag genommen hat. Nächtelang bei schlechtem Licht dasitzen und spinnen, bis die Finger bluten. Ob das Spaß gemacht hat? Ich bezweifle es ?(

Aber ich mag irgendwie den Gedanken, mit dem Spinnen so ein Stück Kulturgut zu erhalten, indem ich das mache, was damals alle Frauen gemacht haben. Gedanklich bin ich allerdings weniger im Mittelalter, sondern eher in der Zeit so vor 100 Jahren, in bäuerlichen, traditionsdurchwirkten Gegenden (vielleicht ein Grund, warum ich das bäuerliche Brauchtum so mag) Da sitzt man da und spinnt und denkt sich in eine andere Zeit und wünscht sich klammheimlich, mal kurz in ebendiese Epoche reinzuschnuppern, um zu schauen, wie es damals war. Für mich ist mein Spinnrad eine richtige kleine Zeitmaschine - zwar nur für den Kopf, aber immerhin.

Geht euch das auch so?

Was ich auch lustig finde: Wenn ich spinne und Lust habe, dabei Glotze zu gucken, lege ich immer einen historisch angehauchten Film ein. Irgendwie bringt mich das auf Touren, dann spinne ich so motiviert, dass mir fast der Fuß abfällt :lol:

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von Asherra » 26.05.2009, 10:00

Seltsam, die Zeit vor 100 Jahren kommt mir eher "normal" vor. Wahrscheinlich, weil ich aus einer Bauernfamilie stamme, der Unterschied in den landwirtschaftlich Methoden ist nicht so groß bei den Nebenerwerbsleuten, wie bei den Vollbaueren. Mein Großvater hat auch noch alle Leitern selbst gebaut, Freunde in Handarbeit ein altes Fachwerkhaus wieder in Stand gesetzt, da bleibt einiges hängen.

Beim Spindel spinnen rutsche ich oft noch viel weiter zurück. Steinzeit, am Feuer oder auf der Wanderung. Als das Spinnen noch nicht so sehr Produktion sondern vielleicht doch eher Dekoration war. Kordeln für Schmuck oder als Verschlüße an Kleidung.
Ganz schwummrig wird mir, wenn ich an Ägypten denke... ALLES mit der Spindel gesponnen, nix Rad. Berge von Leinen. Kopf weiß zwar, daß das in Peru auch ganz normal war und sich Spinnräder da bis heute noch nicht wirklich durchsetzen, aber irgendwie ist Wolle normaler (= einfacher für mich) als Leinen oder Baumwolle.

Das Rädchen hält mich sehr im Hier und Jetzt (was sein Job ist, es hilft mir klar zu denken) da denke ich viel mehr dran, wie das Internet es möglich macht, daß ich uralte Fähigkeiten von Leuten lerne, die 15.000 km in die eine Richtung weit weg leben, auf einem Gerät, das 24000 km in der anderen Richtung zurück gelegt hat. Die Welt wird klein... und alle spinnen :D

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von Don Mesdos » 26.05.2009, 10:11

Mir geht es auch so, aber am meisten mit dem Nähen, ich habe da einen starken Bezug zum Mittelalter, aber so ganz stimmt das nicht, denn: Das Mittelalter gibt mir Aufschluss über die Schnitttechnik die da das Laufen gelernt hat, das Minimalistische Setzen der Nähte um sich Zeit zu sparen, die Kleidung langlebiger zu gestalten und sowenig wie möglich vom kostbaren Stoff zu verschwenden. Dann die Spanische Mode in der der Männliche Stil gefragt war und die Frauen sich in Korsetts gedrückt haben um die Brust zu verkleinern. Sich Bretter in die Stecker der Korsetts gelegt haben um so flach wie möglich zu sein, aufwendige Schnitte, sehr aufwendige Korsettverarbeitung, und die verspielten Stoffe mit heraldischen und Fabelwesen mustern. Da entstand der Unterschied im Knüpfen der Männer und Frauen, und im Status auch.
Dann die Renaissance, mit der Schlitzkleidung die Ihre Mode aus der Not kreirte, da man im Krieg soviel vVerschleiss hatte.
Das Barock und Rocckoko, die Epire Zeit und und und von Christian Dior, der die Frau wieder feminin machte und das Korsett weg ließ, ich find das alles faszinierend vor allem wenn man mal in Ludwigsburg im Textilmuseum war und die Stücke betrachten kann die mit der Geschichte verknüpft sind, und bewundern kann was für Kniffe und Tricks die ErzMeister drauf hatten, und sie nachmachen und ausprobieren kann, und am Fertigen Stück den ganzen Sinn der Arbeit erfassen kann.

Da sprudelt meine Kreativität und die Liebe zur Mode. Ich find die Geschichte einfach toll.
Und das ernnert mich leider stets daran wie wenig sich die Menschen heutzutage noch durch Kleidung erfeuen.
Wie viele Kompromisse sie eingehen um Mode aus Ketten zu kaufen, die den Namen oft nicht verdient.
Das macht mich traurig, und das erinnert mich daran das ich doch mittlerweile eine Nische ausfülle die Seltenheitswert hat und die sich leider nur noch wenige leisten können.
Ich erhalte die Tradition der Meister aufrecht (für mich zu mindest) und halte sie in Ehren, weil ich es wichtig finde das Menschen auch heute noch das Recht auf gute Kleidung haben und vor allem den Unterschied wissen sollen.
Ich muss immer darüber schmunzeln wenn die Kleidung die ich trage (auch von Kettenkaufhäusern) so langsam die Form verliert oder meine Gewichtsschwankungen gnadenlos aufzeigt, denn ich weiss alle Sachen die ich für mich genäht habe sind noch immer so schön wie am ersten Tag und überspielen mal locker 5 Kilo.
Und das bringt mich wieder rum zum Weben und Spinnen, denn damit ist Kleidung undwiderruflich verbunden und gehört einfach zusammen.
Ich liebe es.

lg Paul

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von Petzi » 26.05.2009, 10:58

Mir geht es auch oft so, daß meine Gedanken beim Spinnen in die Vergangenheit gehen. Da aber in meiner Verwandschaft niemand gesponnen hat, ist der Bezug direkt zum Spinnen nicht so groß. Weder meine Oma's noch die meines Mannes haben jemals gesponnen. Die Lebensgefährtin meines Vaters hat gesponnen und hat noch ein Paar Handschuhe aus selbstgsponnener und gefärbter Wolle. Für sie ist das Spinnen aber eher eine Last, als ein Vergnügen. Beim Spinnen versuche ich oftmals in frühere Zeiten zurück zu versetzen. Mein Urgroßvater und sein Vater waren Karussellbetreiben und von ihrem Leben habe ich schon viel erfahren dürfen. Auch über die allgemeinen Lebensbedingungen zu dieser Zeit und damals wurde halt auch viel gesponnen. Ich wünsche mir für meine Spinnvorführungen noch ein "Arbeitsgewand". Irgendwie finde ich gehört zu einem alten Spinnrad auch eine entsprechende Kleidung. Da aber Stricken und Spinnen bei mir im Vordergrund steht, wird es wohl noch lange dauern, bis ich mich wirklich mal an die Nähmaschine setzen kann und mir ein entsprechendes Kleidungsstück anfertigen werde. Zumal ich noch gar nicht genau weiß, wie es werden soll. Es sollte im Stil zu unserer Region passen und nicht "zu alt" wirken. Ich möchte nicht, daß es rüberkommt, als ob ich gar nicht mehr in unsere Zeit passe.
Weiß grad gar nicht, ob ich mich richtig ausgedrück habe.

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von UTEnsilien » 26.05.2009, 11:16

...... dazu habe ich mir neulich ein sehr interessantes Buch gekauft:
Titel:
Frauen die den Faden in der Hand halten
Handarbeitende Damen ,Bürgersmädchen
und Landfrauen
von Rubens bis Hopper


Verlag:
Elisabeth Sandmann Verlag GmbH München
ISBN 978-3938045-35-0

...durch alle Epochen der Malerei, findet man fast auf allen Gemälden irgendwelche Handarbeitsgegenstände. Auch an den Gemälden kann man wunderbar sehen, für wen Handarbeit eine Luxusbeschäftigung war und für wen bittere Notwendigkeit.
Das Buch ist mit jeweils zu den Gemälden gehören Geschichten, Beschreibungen oder Hinweisen ausgestattet.

Hier noch der Link zu der Seite des Verlages und zum Buchhttp://www.elisabeth-sandmann.de/index.php/frauenfaden

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von Anna » 26.05.2009, 11:24

Ich finde es faszinierend, die Ansichten hierzu zu lesen, vor allem danke an Paul für die kleine Lehrstunde über Entwicklung der Schnitttechnik.
Ich bin im Schneidern weiß Gott ein kleines Licht und muss viele Kompromisse eingehen, weil ich es im Grunde nicht wirklich kann (habe mir alles selbst beigebracht) und mich an einfache Schnitte aus Modeheften halten muss, aber der Grund, warum ich angefangen habe, mir Kleidung selbst zu nähen, war, dass ich in den Geschäften nicht das gefunden habe, was ich tragen wollte. Mittlerweile ist das eher noch schlimmer geworden. Obwohl wir in einer globalisierten Welt leben und man meinen sollte, es gibt alles in Hülle und Fülle, geht es eher umgekehrt. Man fühlt sich immer mehr uniformiert; außer man kann und will wirklich viel Geld für ausgesprochene Designerkleidung ausgeben.
Aus einem ähnlichen Grund habe ich mit Spinnen angefangen. Als Hausfrau habe ich genug Zeit, mich damit zu befassen, und Spinnen empfinde ich als nützlicher und sinnvoller als Basteln von Fensterbildern und Tontopfpuppen, was hier auf dem Land viele machen. Und vor allem möchte ich mehr gestalterische Freiheit. Ich will nicht immer an das gebunden sein, was man mir an Material anbietet.
Wahrscheinlich sehe ich manchmal etwas schräg aus, aber im Grunde ist es mir egal, wie ich aussehe - ich will bloß kennen, was ich anhabe. :D
Schönen Gruß von Anna (die gerade Wolle wäscht)
"Wenn ich mich vor solchen Kerlen fürchte, kann ich mein Langschwert gleich gegen Stricknadeln eintauschen." (Brienne)

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von frieda » 26.05.2009, 11:45

Galvan hat geschrieben:und von Christian Dior, der die Frau wieder feminin machte und das Korsett weg ließ,
Bei "Korsett weglassen" fällt mir eigentlich nicht Dior, sondern Dein Namensvetter Paul Poiret ein und damit die ganze Reformkleidungsbewegung.

Dior hat mit dem New Look meiner Meinung nach eigentlich eher wieder (einhergehend mit der refeminisierung der Mode nach dem Krieg) dafür gesorgt, daß die Frauen, die während des Arbeitsdienstes im Krieg ja oft in bequemer Herrenkleidung steckten, sich erst mal wieder in Korsetts gequetscht haben. Was allerdings wirklich revolutionär daran war, war eher der Stoffverbrauch, der nach der Rationierung im Krieg vom verschwenderischen her fast unmoralisch gewirkt haben muß. Aber von dem femininen ist er dann ja mit der Bleistift- und der H-Linie dann auch wieder abgekommen. Das war dann eher was für Knäbinnen.

Grüßlis,

frieda

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von Artemis » 26.05.2009, 11:50

Petzi hat geschrieben:Ich wünsche mir für meine Spinnvorführungen noch ein "Arbeitsgewand".
Magst du denn Trachten? Nein, jetzt nicht an Dirndl oder kitschige Landhausmode denken, ich meine die echten landestypischen Trachten, die sich von Gegend zu Gegend unterschieden haben. Gerade ein deiner Gegend sollte es da so einiges geben, das südliche Deutschland ist in Sachen Brauchtum ja immer vorne ^^

Falls du Inspirationen suchst, ich hab da ein uraltes Trachtenbuch, das von Tirol über Friesland bis fast nach Polen alle Regionen Deutschlands abdeckt. Da sind teilweise wirklich wunderschöne Trachten drin.


@ UTEnsilien:
Das Buch hab ich seit einer kleinen Ewigkeit auf meiner amazon-Wunschliste, es aber bisher noch nie in den Einkaufswagen gepackt (zu teuer :O ) Ist es denn gut?

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von Don Mesdos » 26.05.2009, 12:17

Hi Frieda, du hast Recht,

hängt wohl eher damit zusammen dass bei mir mein Namensvetter in den Hintergrund rückt weil ich Diors Mode einfach liebe. Poiret ist natürlich eine Legende, fällt bei mir aber als Experimenteller und Kommerzialist in Ungnade. Seine Entüwrfe gefallen mir besser am Papier als in Natura, obwohl er ja sehr erfolgreich war ( da sieht mans wieder mit dem Geschmack) bis zum Krieg.
Da fällt mir in einem Atemzug Coco Chanel ein, bei Ihr bin ich mir nicht sicher ob die Mode aus Not entstanden ist oder aus ihrer überzeugung. Eins ist sicher, die Verarbeitung der Kleider ist einmalig gut.
Ja im Krieg und danach sind die sonderbarsten Dinge entsanden, wie Frauenkleider aus alten Militäranzügen, und und..
Ja Dior hat je jede denkbare Linie umgewandelt die es gibt, wo bei ich die H linie sehr zu schätzen wieiss und ich finde sie sieht im Businessbereich tres chic aus,
er hat ja auch seine Modesünden auf dem Kerbholz, ich komme mit der Ballonlinie heut noch nicht klar, sie reizt meine Augen bis dato.

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von shorty » 26.05.2009, 13:17

Artemis hat geschrieben:
Petzi hat geschrieben:Ich wünsche mir für meine Spinnvorführungen noch ein "Arbeitsgewand".
Magst du denn Trachten? Nein, jetzt nicht an Dirndl oder kitschige Landhausmode denken, ich meine die echten landestypischen Trachten, die sich von Gegend zu Gegend unterschieden haben. Gerade ein deiner Gegend sollte es da so einiges geben, das südliche Deutschland ist in Sachen Brauchtum ja immer vorne ^^

Falls du Inspirationen suchst, ich hab da ein uraltes Trachtenbuch, das von Tirol über Friesland bis fast nach Polen alle Regionen Deutschlands abdeckt. Da sind teilweise wirklich wunderschöne Trachten drin.

hihi ich denke dieses Buch hab ich auch.

http://www.ilab.org/db/detail.php?lang= ... ernr=11701


Ist schon richtig, kitschige Landhausmode finde ich auch schrecklich.
Allerdings muss ich einwenden, dass Tracht die teilweise auch in dem Buch abgebildet ist, oft nur zu Festtagen getragen wurde.
Ich hab mich schon viel mit richtiger Tracht befasst, die ist nicht wirklich zum Arbeiten gemacht, weil meistens mit eben Korsett und Fischbeineilagen gearbeitet. Zumindest die aus dem Oberbayrischen Raum.
Ein richtiges "Dirndl" ( nicht im Sinne von Oktoberfest in Mini und mit Wahnsinnsausschnitt) heißt eigentlich nur Mädchen übersetzt.
Arbeitskleidung war für Frauen in meinem Alter fast durchwegs schwarz, so wie in Griechenland die alten Frauen vor ihren Häusern sitzen. Ich hab hier durch meinen Vater der im Heimatmuseum tätig ist, sehr viel Bildmaterial schon gesehen.
Im "Waschdirndl" ( einfacher Baumwollstoff) spinne ich allerdings sehr gerne zu Vorführzwecken.

Mir kommen beim Spinnen schon auch Gedanken an die Vergangenheit , allerdings ist es bei mir nicht romantisch verklärt ( soll keine Anklage sein)
Das Leben war hart und ich wäre mit knapp 40 schon ein uraltes Weib oder im Wochenbett gestorben. Viele alte Menschen verbinden mit dem Spinnen und der alten Zeit viel Mühe und Plag, was sicherlich auch zugetroffen hat.
Ich spinne sehr gerne und gebe auch dieses Handwerk gerne an andere Generationen als bleibenden Wert weiter, ich finde aber auch dass man beides sehen muss, früher und heute und aus beiden seine Lehren zieht.
Nicht alles von früher war gut und nicht alles von heute ist schlecht und umgekehrt , alles hat seine zwei Seiten.
Liebe Grüße
karin

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von Artemis » 26.05.2009, 14:01

shorty hat geschrieben: hihi ich denke dieses Buch hab ich auch.

http://www.ilab.org/db/detail.php?lang= ... ernr=11701
Nein, ich hab das hier ^^ Ist wohl der Urvater der Panini-Heftchen, nur dass man die Sammelbilder hier aus Zigarrenschachteln bekam.

Allerdings muss ich einwenden, dass Tracht die teilweise auch in dem Buch abgebildet ist, oft nur zu Festtagen getragen wurde.
Natürlich. In Bayern gehen noch heute viele ältere Leute in feiner Tracht zur Kirche oder auf Dorffeste. Ich sehe so was immer gern :)
Mir kommen beim Spinnen schon auch Gedanken an die Vergangenheit , allerdings ist es bei mir nicht romantisch verklärt ( soll keine Anklage sein)
Die Romantisierung der "guten alten Zeit" hat vieles in ein anderes Licht gerückt, da gebe ich dir Recht. Wenn man sich alte Bilder und Filme von damals anschaut, sieht man erst mal, was für eine Quälerei das war. Landromantik ist was anderes. Ich ziehe den Hut vor jenen Frauen, die das tagein, tagaus ertragen haben. Blieb ihnen ja nix anderes übrig.

Zu einem gewissen Grad eifere ich den Frauen von damals nach, weils mir Spaß macht, aber ich bin immer wieder froh, in die moderne Neuzeit flüchten zu können. Eier im Aldi kaufen zu können, wenn die Hennen mal streiken. Kartoffeln beim Bauern zu holen, wenn meine von gefräßigen Biestern vernichtet wurden. Den Elektroherd anzuschmeißen, wenn der alte Holzofen einfach nicht in die Pötte kommt und ich Hunger habe. Im Laden eine Strickjacke zu kaufen, wenn die selbst gemachte krumm und schief ausfiel.
DAS is Luxus ;)

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von shorty » 26.05.2009, 14:10

ok, auch nicht schlecht, das Buch, mit dem Panini Vorbild könntest Du recht haben :-))


Zitat :
Natürlich. In Bayern gehen noch heute viele ältere Leute in feiner Tracht zur Kirche oder auf Dorffeste.

:-))) nicht nur alte Leute, ich auch :-)))
Frohnleichnam usw.

Stimmt schon, bei uns in Bayern ist das noch sehr verbreitet
Liebe Grüße
karin

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von Don Mesdos » 26.05.2009, 14:35

Ich mach das auch gerne, den feinen Janker Anzug mit Hemd anziehen und den Festtag geniessen.
Ich mach das an Weihnachten und an Spinnfesten und und und...
einfach ein gutes Gefühl dazuzugehören

lg Paul

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von Richi » 26.05.2009, 14:46

Mit Mittelalter oder anderen frühere Zeiten habe ich es nicht so, auch am Rad nicht.

Mich fasziniert viel eher das reine Werden, wenn ich sehe, wie der Faden entsteht und das Bewusstsein, dass wirklich alles was ich am Leib trage seinen Ursprung in eben dieser Verwandlung von einem Haufen mehr oder weniger loser Fasern zu einem starken Zusammenhalt hat. Egal, ob es ein Hauch Nichts ist, das ich trage oder dicke derbe Oberbekleidung. Alles hat seinen Ursprung in einem Faden und dieser Grundstein muss schon richtig gewählt sein, damit es am Ende gut wird.

Und wenn ich dann etwas fertig gestellt habe und ich daran zupfe, rieche und staune, was das Teil alles kann, wie unterschiedlich es ist zu dem, aus dem ich es gemacht habe und wie oft es sich verändert hat auf dem Weg vom Flausch zum Kleidungsstück und was es noch alles hätte werden können und wie anders es sich dann verhalten würde - dann kennt meine Begeisterung keine Grenzen.

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Re: Historischer Bezug zum Spinnen

Beitrag von Petzi » 26.05.2009, 18:14

@shorty + Artemis

danke für die Tipps. Hier in Durbach gibt es schon eine Arbeitstracht, die die Frauen am hiesigen Buurefeschd (Bauernfest) auch tragen. Ob es wirklich die historische Arbeitstracht ist, weiß ich gar nicht. Da muß ich mal unseren Spezialisten in Sachen "Altertum" fragen. Eine Festtracht gibt es hier im Ort auch und einige wenige tragen sie noch an den Feststagen, wie Fronleichnahm oder ähnlichem. Unser Heimatverein überlegt auch, die Tracht wieder "einzuführen". Da ich aber hier im Ort nicht geboren bin und erst seit 10 Jahren hier wohne, finde ich, daß ich nicht das Anrecht habe so eine schöne Tracht zu tragen. Zum Spinnen passt sie auch nicht so richtig, da es eben die Festtagstracht ist. Naja, mal sehen, ob ich mal was authentische finde. Ansonsten schweb mir eine Art Dirndl vor. Ich habe hier noch einen gröberen, hellen Leinenstoff liegen, den ich eigentlich geeignet finde. Damit könnte man auch ein Mittelaltergewand schneidern (zumindest vom Aussehen her). Aber Mittelalter ist mir zu alt. Vielleicht doch eher in Blautönen, wie es in Weinbaugebieten wohl eher Brauch war.

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