Indigo: Fructose-Küpe (Chemie)

Pflanzen-, Pilz- und Tierfärbungen ...

Moderator: Perisnom

Antworten
Ostfriesin
Locke
Locke
Beiträge: 73
Registriert: 09.07.2015, 18:08
Land: Deutschland

Indigo: Fructose-Küpe (Chemie)

Beitrag von Ostfriesin » 29.08.2015, 11:54

Hallo ihr,

Wir haben das kürzlich ausprobiert, nach dem Maiwa-Rezept mit hellen Weintrauben. Leider war der Erfolg eher mäßig, es hat sich höchstens 1/10 des Indigos überhaupt als Indikan gelöst wurden. Die Färbung fiel entsprechend blass aus und war außerdem leicht grünlich/trüb, was vermutlich auf andere gelb/braun färbenden Stoffen in den Trauben zurückzuführen ist (ähnlich dem Grünstich bei Direktfärbung mit frischen Blättern). Sollte ich das wiederholen, würde ich auf jeden Fall reine Fructose oder Invertzucker benutzen.

Bei der anschließenden Vergleichsfärbung mit Natriumdithionit (Hydrosulfit) löste sich der Farbstoff besser und das Blau war deutlich klarer.

Das finde ich auch erstmal alles nicht so verwunderlich: Natriumdithionit dürfte vermutlich ein deutlich stärkeres Reduktionsmittel sein als Einfachzucker (ich wusste bis vor kurzem nicht mal, dass die überhaupt eins sind).

Nun ist es aber der Theorie nach so, dass die einzige Aufgabe der Reduktionsmittel darin besteht, Indigo zu Indikan zu reduzieren, in die Färbung eingreifen, sich an der Faser anlagern o.ä. sollen die sich ja gar nicht.

Wie könnte dann aber zu erklären sein, dass die Kaltfärbung mit frischen Blättern
1) nur auf tierischen Fasern funktioniert und nicht auf pflanzlichen?
2) die Farbe weniger stabil bzw. bei höheren Temperaturen weniger waschecht ist?

Zu 1) könnte ich mir als Erklärungsansatz den pH-Wert vorstellen, die Kaltfärbung ist ja sauer und die Küpenfärbung basisch. Zu 2) kommt evtl. die Temperatur bei der Färbung in Frage (nicht heißer waschen als gefärbt wurde).

Das erklärt allerdings noch immer nicht Shortys Beobachtung, dass auch die Einfachzucker-Färbung instabile Farben ergeben würde (außer, der Farbstoff hätte sich gar nicht wirklich gelöst - dann kann es ja nicht funktionieren).

Viele Grüße von der Ostfriesin

Benutzeravatar
shorty
Designergarn
Designergarn
Beiträge: 30170
Registriert: 23.01.2007, 18:03
Land: Deutschland
Postleitzahl: 82441
Wohnort: Oberbayern

Re: Indigo: Fructose-Küpe (Chemie)

Beitrag von shorty » 29.08.2015, 14:04

Zu 1 Pflanzenfasern lassen sich sauer meines Wissens nicht oder nicht zufriedenstellend färben.

Für Pflanzenfasern ist der Ph wert deutlich wichtiger als die Temperatur, kann also "kälter" gefärbt werden als bei Proteinfasern...

Krapp Melasse usw Küpen sind der Bezeichnung nach Fermentationsküpen... sicher wird auch dort reduziert (um aus Indican ( wasserunlöslich) Indoxyl ( löslich) zu machen ) aber eben durch nen anderen Prozess durch Fermentation, Bakterien ( bei Krapp)
Die Wirkung wird erzielt über Reifedauer und Temperatur...

ich denke der Kurs von Ulrike wäre für Dich sehr aufschlussreich..
Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst du im Heute von Neuem beginnen.

Ostfriesin
Locke
Locke
Beiträge: 73
Registriert: 09.07.2015, 18:08
Land: Deutschland

Re: Indigo: Fructose-Küpe (Chemie)

Beitrag von Ostfriesin » 30.08.2015, 11:46

Oh, da scheinen in beiden Beiträgen die Begrifflichkeit etwas durcheinandergegangen zu sein:

Indican (farblos, löslich): Indoxyl-Glycosid, wie es in den Pflanzen vorliegt

Indoxyl (gelb, löslich): entsteht durch Aufspaltung der glycosischen Bindung aus Indican oder durch Reduktion aus Indigo(tin)

Indigo/Indigotin (blau, unlöslich): entsteht durch Oxidation aus Indoxyl

Die von mir durchgeführte ist keine Fermentationsküpe, sie dürfte in Ulrike Bogdans Buch unter "organische Reduktionsküpe" fallen.

Dem Inhaltsverzeichnis nach klingt das Buch sehr gut (und ihre Kurse sind es dann sicher auch).

Benutzeravatar
shorty
Designergarn
Designergarn
Beiträge: 30170
Registriert: 23.01.2007, 18:03
Land: Deutschland
Postleitzahl: 82441
Wohnort: Oberbayern

Re: Indigo: Fructose-Küpe (Chemie)

Beitrag von shorty » 30.08.2015, 16:43

Ja ich halte sie auch für sehr kompetent..

Ja ich weiss, dass Deine Fructose Küpe unter organische Reduktionsküpe fallen würde, ich hab den Kurs mitgemacht und diese Rezepte alle hier :-))
Dieser Antwortteil war auf Deine Frage zu meinen Färbungen gemünzt.
Die Annahme es würden nur Einfachzucker funktionieren kann ich nach nochmaliger genauer Betrachtung der Rezepte und eben auch der anderen Teilnehmer nicht bestätigen.
Es gab da durchaus erfolgreichere Teilnehmer, weils halt von vielem abhängt

Wie gesagt ich denke sie ist der richtige Ansprechpartner , wenn man wie Du das chemisch genauer haben will, oder sich eben für diese chemischen Vorgänge genauer interessiert.

Ich bin da deutlich praxisorientierter, für mich muss ne Küpe schlicht einfach funktionieren.

Zu den Begrifflichkeiten, bei Ulrike sind sie anders erklärt, sprich ich habe sie von dort, nur zur Info kopiere ich diesen Textausschnitt
der Küpe Sauerstoff entzogen (Reduktion) um so aus dem wasserunlöslichen Indican das lösliche Indoxyl (Leukoweiß) zu machen
mir persönlich ists völlig egal, haltbar blau solls werden ;-)
Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst du im Heute von Neuem beginnen.

Ostfriesin
Locke
Locke
Beiträge: 73
Registriert: 09.07.2015, 18:08
Land: Deutschland

Re: Indigo: Fructose-Küpe (Chemie)

Beitrag von Ostfriesin » 01.09.2015, 18:37

Was Leinen und Baumwolle angeht, schwebt mir vor, vom letzten Färberknöterich-Schnitt in diesem Jahr ein bisschen was von der Lösung zur Kaltfärbung abzuzweigen und zu versuchen, ob man das in ein basisches Milieu überführen kann, ohne dass das gelöste Indoxyl vorzeitig ausfällt. Finde ich spannend.

P.S.: Verstehe ich völlig, wenn sich jemand nicht für Chemie interessiert.

Ostfriesin
Locke
Locke
Beiträge: 73
Registriert: 09.07.2015, 18:08
Land: Deutschland

Re: Indigo: Fructose-Küpe (Chemie)

Beitrag von Ostfriesin » 11.11.2015, 18:23

Wow, es hat tatsächlich funktioniert, wenigstens vom Prinzip her. Wir haben zur Kaltfärbung diesmal nicht Essig, sondern Fructose zugegeben, dann Löschkalk und die Lösung erwärmt. Nächstes Jahr geht's weiter...

Ach ja, ich habe vor dem Abernten noch Saatgut genommen und es ist sehr viel gewesen dieses Jahr. Wenn sich also jemand im Anbau von Färberknöterich versuchen will: ich verschicke gern was davon.

Antworten

Zurück zu „Naturfarben“