Flachsradgrösse und Auszugsbewegung

Typen, Spinntechniken, Fragen rund ums Spinnrad-Spinnen

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Flachsradgrösse und Auszugsbewegung

Beitrag von Kattugla » 05.03.2013, 19:10

Ihr Lieben,

warum viele alte Flachsräder so klein sind, erklärt sich, wemmer daran mal Flachs gesponnen hat. :)

Ich wollte Euch hiermit an einem gewaltigen Aha-Erlebnis teilhaben lassen, das ich am Flinkhandwochenende hatte, als ich hochinteressiert beim Wockenbinden und Flachsspinnen annem alten Hochzeitsrad dabei war. Und die Frage nach der "Grösse" mancher Altertümchen im eBay-Thread taucht ja immer mal wieder auf.

Das Ganze erklärt sich aus der Länge des Flachses und der Spinnbewegung, wenn aus dem Wocken gesponnen wird. Hier liegt der Fokus der Hände kurz unter dem Wocken, dort, wo die Fasern ausgezogen werden - und das passiert idealerweise senkrecht, also in Faserrichtung vom Wocken aus nach unten.
Die Spinnbewegung ähnelt sehr viel mehr dem Spinnen mit der Handspindel.

Wäre der Einzug weiter oben, müsste diese typische Handbewegung schräg nach hinten oder zur Seite gehen (bei am Rad angebrachtem Wocken, es gibt ja auch Standwocken zum Danebenstellen) und das Ausziehen des Flachses aus dem aufgebundenen Wocken wäre viel schwieriger.
Je grösser also der Abstand zwischen Fasern und Einzug ist, umso weniger enge "Kurven" muss das entstehende Garn machen, um auf die Spule zu gelangen. Und das geht halt am besten, wemmer den Einzug tieferlegt.
Wemmer das mal gesehen und gemacht hat, ist die Bauart vieler Flachsräder plötzlich ganz logisch.

Was mich jetzt brennend interessiert: wer von den Besitzerinnen einer Nordin hat die denn komplett mit (originalem) Wocken? Und wie sieht der hier aus? Denn an einen kurzen Wocken (wie der "hutförmige" meiner Dänin) kann ich keinen langen Flachs binden, das passt nicht. Und wie sieht das hier mit der Auszugsbewegung aus?

langflachsgierige Grüsse
Kattugla
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Re: Flachsradgrösse und Auszugsbewegung

Beitrag von shorty » 05.03.2013, 19:17

Bei meiner Schwedin ist nur ein kurzer Wollwocken dabei.
Es gibt auch sehr viele Sitzwocken.
Karin
Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst du im Heute von Neuem beginnen.

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Vlasta
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Re: Flachsradgrösse und Auszugsbewegung

Beitrag von Vlasta » 05.03.2013, 21:29

So ganz macht´s bei mir noch nicht Aha.
Also Rockenstab in entsprechender Größe, daß man den Flachs gut aufbinden kann, ja.
Rocken in enstprechendem Abstand vom Einzug, damit man gut ausziehen kann, auch ja.

Aber was hat das mit der Größe des Rades zu tun? Muß ich nicht trotzdem bequem dran sitzen, das Rad ordentlich gebaut sein, damit´s ne Weile hält und vernünftig läuft etc.pp.?

Soll heißen, wenn mein Rad groß ist, muß halt der Rocken so groß sein und soweit oben, daß der Auszug funktioniert. Bei meinem Bockrad ist kein Rocken mehr dabei, aber ich hab an baugleichen Rädern mit Rocken aus der Region Flachs gesponnen: Der Auszug geht schräg nach unten, ganz bequem. Man schwenkt sich den Rocken so hin, daß man gut ran kommt und dann ist der Auszug fast meditativ.

Ich hätte gedacht, die Räder waren oft so winzig, weil die Leute, die dran gesponnen haben kleiner waren.
(Vielleicht bauen sich auch größere Schwungräder schwieriger als kleine??)

Und Tante Edit jammert rum, sie will auch endlich wieder Flachs spinnen und einen Rocken für das alte Schätzchen will sie auch...
Liebe Grüße,

Vlasta

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Re: Flachsradgrösse und Auszugsbewegung

Beitrag von Kattugla » 05.03.2013, 21:43

Grössere Schwungräder sind in der "klassischen" Bauweise (auf runden Rahmen geschraubt oder gespannt und auf der Drechselbank final rundgedreht) definitiv schwieriger zu bauen. Ich bezweifle allerdings, dass nur die Skandinavier grosse Drechselbänke hatten und die Hessen nicht... :)

Wenn mein Einzug fast waagerecht vor meiner ausziehenden Hand ist, muss das Garn mehr als 90° "um die Ecke", typischerweise um kleinen oder Ringfinger der Hand, die näher am Einzug ist. Nass gesponnen (feucht reicht auch schon) macht das keinen Spass, glaube ich.
Wenn meine Einzugshöhe niedriger liegt (bei meiner kleinen Elsässerin sogar in Kniehöhe und der Wocken ist seeeehr lang im Verhältnis zu dem Winzling), ist die einzige Kurve, die das Garn macht, die am Einzugsloch. Und dem tut die Reibung des feuchten Fadens nicht weh.

Mein Schwarzwälder Flachsrad (das mit dem freifliegenden Picardie-Flügel, Einzug bei mir ca. in Oberbauchhöhe) hat überhaupt keinen Wocken, shortys Erklärung mit dem Sitzwocken macht da absolut Sinn, denn den kann ich mir so kippen, dass die Faser trotzdem gerade aus dem Wocken fliesst und keine schmerzhafte Kurve um den Finger macht. Obwohl ich gerade bei den Rädern (Bockrad, Picardie-Flügel, verzinntes Antriebsrad) auch schon Standwocken dazu gesehen habe. Was auch super gehen sollte.

Wie hoch ist der Einzug bei Deinem Rad? Und wie läuft der Faden bei Dir?


Tante Edit meint bei mir: ich will endlich Flachs spinnen (wo bekommt man Langflachs?) und Wockenstäbe scheinen 'ne Marktlücke zu sein, eine "Bestellung" habe ich schon... kannst mir bei Gelegenheit ja mal Abmessungen mailen... :O
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Re: Flachsradgrösse und Auszugsbewegung

Beitrag von Vlasta » 06.03.2013, 10:27

Wie hoch ist der Einzug bei Deinem Rad? Und wie läuft der Faden bei Dir?
Möönsch, Du kannst Fragen fragen. :O
Also der Einzug liegt bei 80cm, d.h. wenn ich auf einem normalen Stuhl sitze, auf Höhe meines Solar Plexus. Wie läuft der Faden? Hmmm, ich hab das erst einmal gemacht, gaaanz genau weiß ich es nicht mehr. Ich schätze, ein wenig um die Ecke muß er schon. Der Rocken steht schräg vor dem Einzug. Meine Art Rad und die Rockenstellung sieht man gut auf dem Zeitungsfoto.
Besonders bei dem Herrn hinten in der Mitte sieht es so aus, wie ich es in Erinnerung habe. Man hat den Rocken quasi am Ellenbogen und macht nur mit der Hand die Auszugsbewegung nach vorn unten zum Einzugsloch.

Auf dem Zeitungsbild sieht man ja auch, die Konstruktion des Rockens: Die Querstange ist so lang wie der halbe Raddurchmesser. (Raddurchmesser in meinem Fall 50cm) Sie wird von unten auf die vordere Flügelhalterung aufgesteckt, die Gewindeschraube zum Halten habe ich noch.
Bild

Und der Rockenstab wird nur eingesteckt in die Halterung. Die Länge davon hab ich mir irgendwo aufgeschrieben, finde ich aber grad nicht. :O

Langflachs kriegt man einfach nicht. :twisted: In dem o.g. Museumshof verbrauchen sie gerade zum Spinnenlernen die letzten Vorräte aus dem Dorf. :rolleyes: Ich hab dann angeregt, daß sie ja mit Wolle üben könnten und die letzten Flachsfädchen für besondere Anlässe aufsparen, bis sich neue Bezugsquellen auftun...
Der Witz dort ist, daß auch dort im Dorf keiner mehr wirklich Flachs spinnen gelernt hat, sie sich also alles selbst beibringen (natürlich zu alt sind, um im Internet Anregungen und Tips zu finden) und auch von Spinnradwartung und -pflege keinen blassen Schimmer haben. Die "restaurierten" Spinnräder hättest Du sehen sollen. ;( ;( Alles mit Lack übermalt und festgeklebt, so daß man kaum was einstellen konnte, keine Schmiere nirgends, aber Blümchen... Aber mein Rad wollten sie am Ende des Spinnabends in ihre Bestände einreihen, weil es so aussieht, wie ihre. Ha!
Liebe Grüße,

Vlasta

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Re: Flachsradgrösse und Auszugsbewegung

Beitrag von versponnen » 06.03.2013, 14:06

Die räder waren klein, damit viele Frauen in einer spinnstube zugleich spinnen konnten und das Rad ließ sich gut tragen.
flachs spinnt sich besser mit großem Raddurchmesser...meine Erfahrung.
ich habe von Georg Leichtein mir mal wockenstab bauen lassen, der auch lang genug war für unsere neuen wirklich langen flachssorten.
Ich schaute mir in Niedersachsen alte flachsspinnerinnen an, der selbstangebauter flachs aus ihren aussteuertruhen war viel kürzer, und so war der wockenstab,den mir eine cousine schenkte nur ca 6o cm lang.
Man hat den Wockenstab seitlich und man zieht schräg zu Seite heraus. aber ich mache es mittlerweile viel lieber .entweder nur lose angebunden wie es Niederländerinnen auch machten oder lege ihn in ein tuch eingeschlagen, ,vorher papier drum herum...dann ausziehen..so staubt es nicht.

Da ich dieses Spinnrad weitergegeben habe in der Familie.. kann ich es nicht zeigen. aber in einer Ausgabe der Handspinngilde habe ich die Bauweise mal dargestellt.


und wichtig..immer gut vorher hecheln...

man kann Flachs sehr gut mit den sehr großen Raddurchmessern spinnen, Das Rad läuft viel ruhiger ,,man muss ja nicht mit Tempo treten..
Wer Fahrrad fährt, weiß ein kleiner Raddurchmesser...ist nicht so toll..

liebe Grüße wiebke

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Re: Flachsradgrösse und Auszugsbewegung

Beitrag von XScars » 06.03.2013, 14:52

Vielleicht ist die Ernte ja gut dieses Jahr, dann könnte man vielleicht Langflachs bei der Woolery in USA bekommen:

http://www.woolery.com/store/pc/Flax-St ... tm#details

ich habe einen Zopf für 1 Euro bei Ebay bekommen... aber mich noch nicht rangetraut, auch in Ermangelung eines Wocken... und auch aus Mangel an der Zeit mit damit mit so richtig ausführlich zu beschäftigen...

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Re: Flachsradgrösse und Auszugsbewegung

Beitrag von Siebenstern » 07.03.2013, 13:17

Bei meinen beiden Rädern war leider kein Wocken mehr dabei und bei den Rädern mit Wocken die ich in Natura gesehen habe hatte ich oft den Eindruck das der Wocken nicht so recht zum Rad passte (unterschiedliches Holz, Bemalung, Drechselarbeiten etc.) und halt nachgemacht war oder eigentlich von einem anderen Rad stammte.
Allerdings habe ich schon sehr unterschiedliche Wocken gesehen, gibt ja für alle unterschiedlichen Leinenarten einen passenden Wocken und auf denen wird das Leinen dann auch unterschiedlich angebracht. Also aufgespiesst oder drum gewickelt bzw drüber gehängt. Ob sich das dann vom ergonimischen her anders oder ähnlich verspinnt und wie die Abstände zwischen Einzug und Wocken sich dann ändern ist eine gute Frage. K.a. ;) aber ich habe ein paar schöne Links und Stichworte zum Wockentypen Bilder suchen. Oberbegriff auch zum googeln wäre 'linfäste' oder auch 'linhuvud'. So grob gibt es da den Typ Astgabel (Suchbegriff blånkrona oder tovkrona) und den Typ Brettartig, Nudelholzig und auch mal 4Kantig (Suchbegriff rockblad und linspiror).

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Re: Flachsradgrösse und Auszugsbewegung

Beitrag von Arachne » 07.03.2013, 18:23

Kattugla hat geschrieben: Was mich jetzt brennend interessiert: wer von den Besitzerinnen einer Nordin hat die denn komplett mit (originalem) Wocken? Und wie sieht der hier aus? Denn an einen kurzen Wocken (wie der "hutförmige" meiner Dänin) kann ich keinen langen Flachs binden, das passt nicht. Und wie sieht das hier mit der Auszugsbewegung aus?

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Hallo Kattugla,

Deine Beobachtungen finde ich richtig, allerdings gibt es auch andere Gründe für kleine Räder (nennt jemand weiter unten). Außerdem waren die FRauen viel kleiner.
Ich habe mind. 1 vollst. altes nordisches Rad mit Kurzwocken. Die Kurzwocken werden anders als die mitteleuropäischen quer aufgerockt, d.h. die Flachsfasern hängen nicht mehr oder weniger von oben nach unten, sondern sind rund um den Wocken gewickelt, so dass dieser sich beim Abspinnen dreht. Die Methode ist gut beschrieben und gezeigt in BAINES, PATRICIA:Linen: hand spinning and weaving. London 1989. Man legt den Flachs locker auf einen Tisch, legt den Wockenstock am Ende quer darüber, zieht vorsichtig den Stock hoch, wobei man wenige Fasern fasst. Weiter werden hinterhergezogen und man wickelt kontinuerlich auf. Ist einfacher/schneller als die norddeutsche Methode.

Sigrid
Geschichte und Bedeutung des Spinnrads in Europa, Shaker Media Verlag, gebunde Ausgabe
http://spinnrad.jimdo.com/

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Re: Flachsradgrösse und Auszugsbewegung

Beitrag von Tulipan » 08.03.2013, 21:36

Das sind spannende Überlegungen.
Bei meiner Finnin hat leider ein Vorbesitzer den Rocken zu einer Spulenhalterung umgebaut. Der Balken, in den der Wocken eingesteckt wurde, ist 85 cm hoch, man kann ihn so drehen, dass der Wocken direkt über dem Einzugsloch wäre oder ca. 20 cm links davon. Das Einzugsloch hat eine Höhe von 64 cm. Wahrscheinlich war es so ein Astgabelwocken, wie Siebenstern ihn verlinkt hat. Hier kann man mal sehen, wie davon gesponnen wurde.

In Siebenbürgen habe ich diese kleine zweifädige Ziege mit einem sehr hohen Wocken photographiert. Es gab auch noch frei stehende Rocken, die aber mit Spindel verwendet wurden. Ein Bild dazu habe ich leider nur in einem Buch. Die Unterkante des Flächsbündels ist etwa ich Achselhöhe und es wird nach unten ausgezogen.
Zigeunerspinnrad.JPG
Flachszöpfe kann man manchmal auf Flohmärkten finden. Ich habe ein paar, die noch spinnbar aussehen, aber zum Üben mag ich sie nicht nehmen.

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Re: Flachsradgrösse und Auszugsbewegung

Beitrag von Azubi » 10.03.2013, 21:57

ich war heute auf einem Spinntreffen, dort haben wir gelernt wie man in Südschweden (Skåne) Leinen gesponnen hat. man hat die Zöpfe einfach an seinem Gürtel befestigt. :) das geht super! nur muss man leinen in z Drehung spinnen.

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