Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Alles rund um die verschiedenen Webtechniken

Moderator: Rolf_McGyver

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Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von Spingirl » 18.02.2013, 20:24

Hallo liebe Weber/innen,

ich fange grade erst an, mich näher mit dem Weben zu beschäftigen, und habe trotzdem todesmutig beschlossen, schon für mein erstes Projekt Selbstgesponnenes zu verwenden. ?( Hier im Forum und in diversen anderen Quellen habe ich dazu schon viele nützliche Tips gefunden, bin allerdings auch auf einige Widersprüche gestoßen. Im Moment beschäftigt mich so etwas, daß in manchen Quellen (z.B. bei Interweave) geraten wird, selbstgesponnenes Kettgarn gleich von der Spule zu verwenden und auf keinen Fall zu waschen, weil es so stabiler und robuster wäre. Andere (z.B. Maggie Casey) meinen, man muß das selbstgesponnene Kettgarn *unbedingt* vorher waschen, weil das fertige Webstück sonst ungleichmäßig und verzogen wird.

Auseinanderstzungen zwischen verschiedenen Schulen, was denn nun der richtige Weg zum Ziel sei, gibt es ja in jedem Bereich, und häufig gibt es kein Entweder-Oder oder Schwarz-Weiß, sondern mehrere Möglichkeiten oder die Wahrheit in der Mitte. In diesem Fall kann ich das leider gar nicht einschätzen, dafür fehlt mir die Erfahrung und das Hintergrundwissen. Kann mich da mal jemand aufklären?

Sollte es dabei auf die Faser ankommen, ich hatte an eine gemischte Kette aus Polarfuchs und Space Merino gedacht (beides verzwirnt).

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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von Asherra » 18.02.2013, 20:42

Probier's aus? Wenn du kein festes Ergebins im Kopf hast, wie es unbedingt werden soll, einfach mal machen und sehen, was passiert.
Bei zwei unterschiedlichen, ungewaschenen Garnen in der Kette kann es sein, daß sie nach dem Waschen unterschiedlich eingehen. Kann einen interessanten Effekt geben oder auch nicht (wenn sie gleichmäßig schrumpfen). Wenn du willst, daß sie beide glatt liegen würd ich sie waschen.
Meistens sagt man Webgarne nicht vorher waschen, damit sie sich dann im fertigen Webstück besser miteinander verbinden und schön an ihren Platz rücken. Wird aber beides nicht häßlich oder unbrauchbar (sonst gäb's diese Meinungsverschiedenheiten nicht), sieht halt nur ein wenig anders aus.
Du könntest auch halbe-halbe machen, einmal Garn roh aufziehen einmal gewaschen und nachsehen, was dir besser gefällt.

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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von sockolade » 18.02.2013, 20:52

hallo Spingirl,
ich beziehe meine Erfahrung mit gewaschener und ungewaschener Wolle mehr aus dem Umgang mit Strickmaschinen, obwohl ich das auch schon verwebt habe.
Ungewaschenes Garn ist ingesamt zunächst etwas dünner, ist ja noch nicht aufgeflufft. Es lässt sich also auch fester anschlagen, wenn man hinterher sehr dichtes, festes Gewebe haben will. Es filzt auch weniger. Im Gegenzug ist es wohl günstiger für leichte, weiche, lockere Gewebe oder solche die gefilzt werden sollen, eher gewaschene Garne zu verwenden. Kettgarn finde ich ungewaschen leichter zu verarbeiten.
Verzogen hat sich bei mir mit ausbalanciertem Garn noch nichts. Wenn das Garn wirklich überdreht sein sollte und nicht mehr verstrickt werden kann, würde ich es waschen und beschwert im Strang trocknen. Dann nochmal nass machen und die Erholung testen, meist wird es nicht mehr elastisch. Dann taugt es immer noch zum Weben.
Unterschiedliche Wollsorten können sich natürlich beim Waschen auch unterschiedlich verhalten.
Ein Streifen in einem Webstück, der bei der ersten warmen Wäsche stark einfilzt, würde das Stück ruinieren. Bei solchen Experimenten würde ich vorher so waschen, wie es hinterher geplant ist. Vielleicht konnte ich ein bisschen zu deiner Frage beitragen. Viel Erfolg.

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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von shorty » 18.02.2013, 21:04

sockolade hat geschrieben:. Wenn das Garn wirklich überdreht sein sollte und nicht mehr verstrickt werden kann, würde ich es waschen und beschwert im Strang trocknen. Dann nochmal nass machen und die Erholung testen, meist wird es nicht mehr elastisch. Dann taugt es immer noch zum Weben.
Wo soll er hin sein der Drall ?? ;-)
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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von Spingirl » 18.02.2013, 21:13

Vielen Dank, Asherra und sockolade, für die detaillierten Hinweise, das hat mir sehr geholfen! Es stimmt schon, die beiden Garne sind sehr unterschiedlich, vielleicht solte ich das mit der gemischten Kette beim 1. Versuch lassen und lieber im Schuß experimentieren... Ich bin schon so gespannt!

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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von Belladonna Took » 18.02.2013, 23:05

[/quote]Wo soll er hin sein der Drall ?? ;- Karin[/quote]

Wohin der Drall geht, weiss ich auch nicht so recht, aber Kettgarn ist im MA zumindest in Island, Grönland und Norwegen immer sehr überdreht gesponnen worden, um es stabiler zu machen. Anschliessend wurden die Knäuel in Säcke verpackt und mehrere Wochen in trockenem, warmen Schafsmist vergraben
http://www.vikingeskibsmuseet.dk/filead ... ldsejl.pdf S. 41,42.

Dieser Vorgang, die Überdrehung zu passivieren, heisst auf altnordisch døje, also 'töten'. Der Drall wird getötet.

Wer keinen warmen Schafsmist hat, hängt die beschwerten feuchten Stränge zum Trocknen auf. Voilà, am nächsten Morgen ist der Drall ... äähh .... tot.


Gruss
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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von Asherra » 18.02.2013, 23:15

Naja, Schafsmist daut wahrscheinlich die Wolle etwas an, das benimmt sich dann wie Dauerwellenmixtur und verändert die Struktur der Wolle dauerhaft.
Nur Wasser und aufhängen ist nur eine temporäre Lösung, sobald der Strang wieder naß wird schnurzt er zusammen und zeigt den selben Überdrall wie vorher. Ist das selbe Phänomen wie alte Singles auf der Spule, sie sehen friendlich aus, aber sobald sie naß werden ist wieder alles da. Und das auch wenn sie jahrelang rum lagen.

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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von anjulele » 18.02.2013, 23:21

Für Kettgarn brauchst du gleichmäßig dickes (dünnes!) Garn. Es darff nicht zu locker gesponnen und verzwirnt sein, sonst schubberst du es dir beim Anschlagen ständig auf.

Wenn du noch nicht lange spinnst und keine Weberfahrung hast, nimm lieber ein robustes Garn als Kette und als Schuss selbstgesponnenes. Dann kannst du besser einschätzen, wie du dein Kettgarn arbeiten musst.

Ich würde kein nasses Garn beschweren. Der Drall verschwindet dadurch keineswegs!

LG
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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von shorty » 18.02.2013, 23:23

Tot ist der Drall nicht, nur scheinbar weg. Kommt wieder sobald man die Wolle erneut nass macht ;-) ( zur Beschwermethode)Die Wolle lässt sich so nur leichter weben, das ist alles, hat aber vermutlich deutlich mehr Einsprung.
Die Mist Methode sagt mir nichts.

Da gibts übrigens auch nachlesbare Untersuchungen drüber.
Wolle kann man unter Belastung ohne weiteres ein Jahr gespannt halten.
Diese geht nach Entlastung und nem Tauchbad in kaltem Wasser exakt wieder in die gleiche Ursprungslänge zurück.
Dauerhaft verändern lässt sich der Memory Effekt der Wolle nur in dem man die Faserstruktur aufbricht, was evlt bei Gärung usw der Fall ist.
Filzen zählt auch dazu.
Karin
Die anderen beiden waren schneller ;-)
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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von lilly 66 » 18.02.2013, 23:29

Ich hab erst ein Plaid gewebt mit selbstgesponnener kette aus Alpaca. Hab es normal versponnen. 2 fach gezwirnt und gewaschen. Ich habe einen Probefaden durch den Kamm gefädelt und mal hin und her geruppelt. Es hat der belastung standgehalten ohne aufzudrößeln. Dann hab ich es aufgespannt und mit dem Webstuhl (Kothe Nordia) auch als Schußgarn verwebt. Ging wunderbar ist auf meinem Blog ode hier unter "Gewebtes 2013 )zu sehen. Ich hab halt getraut.

LG Lilly

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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von Klara » 19.02.2013, 00:24

1. Mit ähnlichen Garnen in der Kette anfangen (oder nur einem) ist schon mal eine sehr gute Idee. Ich würde vermuten, dass die Merino sich beim Waschen mehr zusammenzieht als die Polarfuchs. Wen du Streifen pro Garn machst, könnte das einen Krinkel-Effekt geben (ganz extrem wär's wohl, wenn du das Merino mit Seide kombinieren würdest). Kann toll aussehen - oder auch nicht. Wenn du einen Faden Polarfuchs, einen Faden Merino nimmst - ???? Möglicherweise passiert gar nichts, Angora und Seide kommt glatt raus.

2. Wenn du das Garn vor dem Weben wäscht, weisst du einerseits besser, wie's hinterher aussieht. Kannst also besser den Kamm aussuchen (hast du mehrere?). Andererseits ist es ungewaschen eventuell leichter zu verweben, weil die Fasern noch nicht so wegstehen (wäre z. B. bei Angora extrem. Wie sich das Gewebe dann beim Waschen verändert, müsstest du ausprobieren - es gibt eine Profi-Weberin (Laura Fry) die Bücher mit vorher/nachher Stoffproben verkauft (am berühmtesten ist ihr "Magic in the Water"). Nützt uns Handspinnern nur nicht viel...

Shorty, die Misteingrabe-Methode wurde, glaube ich, im Flinkhandforum diskutiert. Wobei ich auch eher bezweifle, dass der Drall dann dauerhaft weg war - aber es reicht ja, wenn das Garn beim Weben brav ist. Einmal verwebt kann's nicht mehr weit weg (und wen kümmert's wenn die Decke ein bisschen schief ist? Hauptsache warm...)

Ciao, Klara

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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von versponnen » 19.02.2013, 03:48

du kannst ohne Probleme gezwirntes ausbalanziertes Kettgarn verwenden, wenn alle stränge gleiche Zusammensetzung haben. Ist es unterschiedlich ,dann musst du beim Walkn mit unterschiedlichem Schrumpfen rechnen. dasselbe passiert aber auch beim schußgarn, oder wenn dieses unterschiedlich fest eingelegt wird. also bemühe dich einfach..immer gleicher Fasernmix und gleiche Dichte und Spannung.
einfädiges Kettgarn geht auch gut,wenn es vorher angewalkt ist. aber wenn es wenig Drall hat oder zu dünn, heißt es besonders sorgsam und langsam weben.
Meine erfahrung nimm 20/10 oder 30/10 Kamm ..Enger erst, wenn du gute Erfahrung mit dünngesponnenem Kettgarn hast.
Man kann das Garn gut sichern mit Stärke...aber es kann auch passieren,dass es zu sehr verklebt und dann nicht gut sich weiterwickeln lässt beim Fadenkreuz..

Traue dich..mein motto..Gruß wiebke

und bloß nicht in der Waschmaschine walken hinterher..lieber in einer großen Wanne und nach dem Schleudern minutenweise im Trockner mit warm und kalt -wechsel kannst du es viel besser kontrollieren beim Schrumpfen. stelle Dampfbügeleisen zurecht und mit viel Dampf lässt sich dann kleine Unegleichmässigkeiten im Schrumpfen und Unebenheiten im warmen Zustand noch gut zurechtziehen und in form dämpfen...Ist es erst kalt und fest...nicht mehr viel zu richten..

gruß wiebke

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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von shorty » 19.02.2013, 07:16

Klara hat geschrieben:
Shorty, die Misteingrabe-Methode wurde, glaube ich, im Flinkhandforum diskutiert. Wobei ich auch eher bezweifle, dass der Drall dann dauerhaft weg war - aber es reicht ja, wenn das Garn beim Weben brav ist. Einmal verwebt kann's nicht mehr weit weg (und wen kümmert's wenn die Decke ein bisschen schief ist? Hauptsache warm...)

Ciao, Klara
Merci für die Info.
Mich würd das bei ner Decke auch weniger stören. Braucht ja nicht die Passform wie ein Kleidungsstück
Nur das mit dem vermeintlich "toten" Drall fand ich kommentierenswert.

Wie stark die Schrumpfung ist, dürfte vermutlich auch etwas mit der Anschlagdichte zu tun haben oder? ist also ne Frage an die Weber.
Je fester der Anschlag umso weniger Spielraum.????

Karin
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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von Regina » 19.02.2013, 09:12

Hier ein Beispiel mit Teilbereichen, in denen absichtlich überdrehtes (gekauftes) Schussgarn verwendet wurde
Auch keine Wolle, daher ein bisshen OT, nur ein nettes Beispiel für die Auswirkungen von Überdrall im Gewebe.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Liebe Grüße
Regina

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Re: Selbstgesponnenes Kettgarn vorbereiten

Beitrag von shorty » 19.02.2013, 09:13

Klasse Beispielbild.
Karin
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