Abenteuer Spinnradreparatur

Damit alle Handarbeitsgeräte richtig funktionieren ...

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wollwolff
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Abenteuer Spinnradreparatur

Beitrag von wollwolff » 23.08.2011, 18:46

Hallo Ihr Lieben!

Traurige Augen zeigten mit ein Tütchen Mahlgut aus Kugellagerkugeln und Käfigspänen. >>Das lag heute morgen davor<<.

Ich stelle mich der Herausforderung und das Uralt Louet ( Einzugloch grauer Plast mit asym. Bohrung) mit Bremse, >>Habe ich vor 35 Jahren schon gebraucht gekauft<< lacht mich schelmisch an... nu komm endlich!

Oh weh, keine Zerlegbarkeit, Dickgeleimte Ponal-Zusammenbauspuren und kein noch so hartes beständiges Klopfen mit Unterlage lockerte das Hauptrad.

Also tricksen!
Die M8 Kontermutter vor der Kurbel war schnell weg und das Pleuel ( Knecht) beseite. Dann die Kurbel, ein angeschweißtes L-Teil an einer M8 Mutternseite heruntergedreht.

Mit 3 M10 Muttern einen Druckbock zum Holm aufgesteckt und die M8 Mutter aufs Gewinde gedreht und mit etwas Ruhe schiebt sich die Achse aus der Nabe heraus. Noch 'ne M10 Mutter dazu usw. Der Weg step-by-step bis der Innenring des kaputten Lagers in der Luft hing und sich an der Nabe abstützend von der Achse schob und herunterollerte.

Dann dachte ich mit 2 Schraubendrehern als Hebel den defekten 22mm Außenring des Lagers ( 608 ZZ) vor den Nabe heraiuszudrücken, das dachte ich aber nur, denn der Spalt NABE-HOLM war nur 8,5 mm breit und das Lager misst 7mm in der Dicke.

Also härtere Gangart!
Den Achsabstand zur Bodenplatte 235mm auf der Außenseite des Holms übertragen und 2 zarte Löcher von 4,5 mm 10mm nach oben und 10 mm nach unten gebohrt. Als der Bohrer eigentlich Tuchfühlung zum Stahlring haben müßte: Leere!
Selbst Prokeln mit einem 3 mm Splintentreiber schuf keinen Stahlringkontakt.

Noch härter!
Die Löcher vorsichtig auf 8mm aufgebohrt, da war der ersehnte Stahlkontakt und der Ring konnte in Richtung Nabe ausgeklopft werden.
Die eingebohrten Löcher bekamen noch eine schicke Senkung und alles sah so sauber aus, als wenn es so sein müßte.

Die Remontage des Neu-Lagers war einfach: Auf den Achsstummel gesteckt und mit einem Plastikschonhammer auf die Kurbelseite geklopft
ein wenig gegengehalten, das war's. Knecht dran, Riemen drauf und die traurigen Augen bekamen ein strahlendes Leuchten.

Diese Reparatur hatte in Echtzeit 27 Minuten gedauert.

Ich schrieb diese Zeilen, um bei ähnlichen auf Euch zukommenden Arbeiten, hier nachschlagen zu können.


LG von Jürgen

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Re: Abenteuer Spinnradreparatur

Beitrag von thomas_f » 23.08.2011, 20:57

alles sah so sauber aus, als wenn es so sein müßte.
:lol: Stimmen aus ferner Zeit. :) Ein Motto meines Lehrmeisters war "Wenn einer nix von kennt, der meint, das muss so." Ein anderes, sehr wichtiges: "Wer nich richtich pfuschen kann, kann auch nich richtich arbeiten." Seine Interpretation des "Form follows function", nehme ich an. :]

Danke für den Beitrag und beste Grüße -- Thomas

Edit: Bitte nicht missverstehen, Jürgen: Was du beschreibst, ist natürlich kein Pfusch im abwertenden Sinne! Sich auch da zu helfen wissen, wenn etwas nicht im Lehrbuch steht, macht den intelligenten Handwerker aus :)

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Re: Abenteuer Spinnradreparatur

Beitrag von wollwolff » 26.08.2011, 12:39

Hallo Thomas/in!

Danke Deiner netten Worte. Würde mich mal interessieren, ob Jederfraumann den Reportagentext verstanden und nachvollziehen kann.
Sonst kann ich
das >eineandere< noch vertiefen.

LG Jürgen

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Re: Abenteuer Spinnradreparatur

Beitrag von Fiall » 26.08.2011, 12:47

Bin nur ungefähr mitgekommen. Mir fehlten die Bilder zur Visualisierung. Bin aber auch definitiv totaler Laie auf dem Gebiet. :)

War trotzdem interessant zu lesen!
GLG,

Veronika

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Re: Abenteuer Spinnradreparatur

Beitrag von TragBar » 30.08.2011, 23:16

Ich Techniknull wenn keine Bilder habe NIXNULL verstanden...

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Re: Abenteuer Spinnradreparatur

Beitrag von Kattugla » 30.08.2011, 23:37

Ich habs kapiert! :))
Auf die Idee, grosse Muttern als - schönes Wort! - Druckbock zu verwenden, mussmer erstmal kommen. Ich merk mir das für den Fall, dass ich morgen abend schaffe, das unbekannte Dreibein in Hamburg zu ersteigern, laut Spioninnen sollen da ja auch einige leicht arthrotische Krepitationsgeräusche am Spulenlager zu hören sein...

@thomas: *kicher* - in unserer Schlosserwerkstatt (also "seinerzeit", als ich meinen ersten Beruf zu DDR-Zeiten lernte), war "Pfuschen" der Euphemismus für Privatbastelei. Schliesslich bekam man draussen so gut wie nix zu kaufen, da musste halt das Volkseigentum im Betrieb herhalten. *lach* und ich hab gepfuscht, was das Zeug hielt. :O
Des passt scho'... :D
"Verlasse dich nie auf das Bier eines gottesfürchtigen Volkes!" (Quark)

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Re: Abenteuer Spinnradreparatur

Beitrag von thomas_f » 31.08.2011, 09:02

Ich muss gestehen, dass ich nur die Einzelheiten kapiert habe, weil ich die Gegebenheiten am (alten) Louet nicht vor Augen habe.

Beste Grüße -- Thomas

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