Kugellagereinsatz bei Spinnradreparaturen

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wollwolff
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Kugellagereinsatz bei Spinnradreparaturen

Beitrag von wollwolff » 05.08.2011, 20:50

Hallo Ihr Lieben,

oft genug steht man vor der Frage bei einer Reparatur bzw. Überholung: Kugellager oder Gleitlager-Soll ich oder soll ich nicht!
A. Gleiten auf Holz
Betrachten wir doch einfach einmal die Eigenheiten dieser Lagerspezie.
Gleitlager Holz, oft in alten Rädern einfach ins Holz gebaut und mit deren Kapillarstruktur mit viel Schmiere durchaus standfest. Nur nach vielen Spinnjahren sieht man doch den Verschleiß, der sowohl in das Holz wandert und deren Lagerebenen deutlich verschiebt z.B. Schiefstand, weil ein Radlager neben dem Eigengewicht auch noch die Knechtkraft und den Riemenzug aus Antrieb und Vorspannung
aufnehmen mußte. Auch Schmutz und das vor allem Mangelschmierung nutzt die Metallachse ab- und das oft genug unzylindrisch konvex oder konkav.
Eigentlich ist das wirkende halbschalige Bett eines Holzgleitlagers großzügig dimensioniert, solange es neu ist und die Punktlast auf einen Qmm rel. gering ist. Erst mit einsetzendem Verschleiß lagert die unzylindrische Achse in einem unzylindrischem Lagerbett aus ausgehärtetem
Schmiermittel als Kruste. Soweit so gut, nur jeder tropfen Neuschmierung reinigt auch und enfernt die Kruste, wobei eine ballige Welle dann in einem zylindrischem Lagerbett aus gereinigtem Holz läuft. Leicht ist hier zu erkennen, dass hier in diesem Moment deutlich höhere Punktlasten entstehen und somit den Verschleiß sogar noch beschleunigen.
Ergo. Wer auch immer eine reine Holzgleitlagerung überholen möchte, muß auf absolut paarige Geometrie zwischen Welle und Holzlager achten. Auch sollte die Schmierart der alten Räder beibehalten werden und so gewählt werden, das nie die Altkruste aufgelöst wird.
Wer eine defektes Holzlager hat, sollte den Durchmessersprung auf den nächstgrößeren mm anstreben und auch die Welle entweder mit dem Plusdurchmesser neu bauen oder mit einer Presshülse darauf, reparieren. zuvor muß die konkave/konvexe Lagerstelle natürlich zylindrisch nachgearbeitet werden.

Wird fortgesetzt!

Für heute LG von Jürgen

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Re: Kugellagereinsatz bei Spinnradreparaturen

Beitrag von wollwolff » 06.08.2011, 09:27

Es geht weiter!

B.
Gleitlager aus Kunststoff oder Metall

Diese Reparaturmethode ist üblich und eigentlich recht einfach auszuführen. Angewendet bei eiförmig ausgeschlagenen Lagersitzen, zu großen Bohrungen in Spulen usw..
Hier ist das Problem nicht die Gleitlagerbuchse, sondern die sorgfältige geometrisch exakte Bohrung in die Fehlbohrung einzubringen.
Wer eine Drehbank anwenden kann, hat da sicher kaum Promleme. Die Handmacher müssen hier auf Zentrierschablonen zurückgreifen.
Der Buchsendurchmesser außen, bzw. ein kleinere Zwischenstufe wir in ein Sperrholzbrettchen, mind. 10 mm dick mittig gebohrt.
Nun legt man das Schablonenbrettchen genau über das Fehlerloch, richtet aus und klemmt mit 2 Schraubzwingen fest. Nun vorsichtig durch die Schablone aufbohren usw..
Ich habe mir einige Spezial- Zapfensenker präpariert. Der Aussendurchmesser ist fertig und mit 3 Schneiden arbeitend. Der Zapfen paßt leider nicht immer, daher setze ich ein Füll-Röhrche darauf, welches meinen Kerndurchmesser hat. Diese Zapfensenker gibt es als Senker für Imbusschrauben im Fachhandel.
lag9.jpg
Die Gleitbuchsen sind vielfältig. Moderne gekaufte schwarze Buchsen sind oft aus glasfaserverstärktem Kunststoff mit Graphit eingeschlossen. Die sind dann sogar wartungsfrei und elektrostatisch ableitend. Selbstgedrehte werden aus Polyamid, Teflon hergestellt. Bei unseren rel. geringen Kräften ausreichend. Selbstgedrehte Profile empfehle ich immer mit angearbeiteten Bund, der stabilisiert und lagert axial auch noch. Auch können Abschnitte von Pneumatikschlauch aus PA genommen werden. Die sind preiswert und haben gerade Maße:
z.B. 6 auf 4, 8 auf 6 usw..
Die Passung im Holz für Gleitbuchsen sollten O-Maß haben, also 12 mm auch 12mm, nicht 11,9, oder 12,1mm. Das entspricht einer Spiralbohrer Bohrung oder der Toleranz einer H7-Reibahle.
Wer sich verbohrt hat, dem hilft unser schon beschriebener Freund " Weißleim" weiter. Einfach die Bohrung dünn auspinseln und hart werden lassen, dann nochmals von Hand mit dem gehaltenen Bohrer vorsichtig ausbohren.

Die Gleitbuchsenprofile reichen von Zyl. bis Zyl. mit Bund. Für extreme Reparaturen verwende ich mein " SPEZIAL": eine in Messing Gewindestange eingebrachte Lagerbohrung. Nach Gewindeschneidn ins Holz, einen seitlichen Kanal aufs Gewinde gefeilt, mit Leim eingedreht, halten die bombenfest, sogar axial.
lag6.jpg

Wird fortgesetzt!

LG von Jürgen
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Re: Kugellagereinsatz bei Spinnradreparaturen

Beitrag von wollwolff » 13.08.2011, 15:59

Hallo Ihr Lieben,

es geht weiter! Kugellager, für mich ist die Beschaffung kein Problem, ich nenne aber trotzdem einige "Nebenquellen".

Die Normallager bekommt man bei sog. SKF, FAG-Verkaufsstellen. In jeder Großstadt gibt es die bei einigen Werkzeug und Eisenwarenhändlern ab Lager und bei den online Märkten ist auch das Sortiment groß. Tip: bei 2 zu beschaffenden Lagern immer Markenware des Industriestandarts nehmen, dann ist Schmierung und Toleranz nach deutschen Vorstellung. Bei Noname/ Import-Produkten erst Kontrolle.

Oft bekommt man auch an "unüblichen" Stellen Kugellager: BOSCH Dienst, Autozubehör, Landmaschinengaragen, Spielwarenladen, Elektronikhandel, Modellbauladen, Schrottplatz.

zB. Skatboard, Modelltrucks Ersatzteile uvam..

Wo bauen wir bei einer Reparatur sinnvoll ein Kugellager ein?

Nur an Stellen mit großen Drehzahlen, wie Schwungrad, Knechtkurbellagerung, Spinnkopflagerung der Welle. Die Spulen, hier bringt ein Kugellager nicht unbedingt den erhofften Erfolg, da Spulen auch ständig ausgebaut werden müssen und die Relativbewegung von Welle zu Spule sehr gering ist, z.B. Flügelwelle dreht 700 U/min und der Spulenwert liegt bei ca. 600, so sind 100 U/ min die rel. Drehung. Das packen Gleitlager spielend und dämpfen, wenn diese mit geringem Spiel laufen auch noch das Geräusch. Ein Kugellager macht immer Roll/ Mahlgeräusche mehr oder weniger, da 2 Stahlringe und Stahlkugeln mineinander abrollen.
Aus meiner Praxis weiß ich als m.E.bestes Spulenlager eine Auslederung zu schätzen ( Uralte klassische Spulenlagerung). Natürlich verlangt Traditionstechnik viel Pflege und auch Wartung.

Ich arbeite gerne mit den folgenden Lagergrößen und immer mit 2Z- Dichtscheiben = Staubdicht, RS Dichtung = gas- und öldicht kann ich nicht empfehlen, da die Reibung der RS Dichtlippen stärker ist und somit auch Eure Trittkraft größer. Es addiert sich!
lag7.jpg
d-D-l: 4-16-5, 5-11-4, 6-13-5,8-22-7,10-26-8, 17-35-10mm

Wie die Bohrungen eingebracht werden, habe ich schon bei den Gleitlagern beschrieben.
lag10.jpg
Nur erfordern Kugellager eine Verschiebesicherung im Loch und die Achsschraube darf nicht den Leichtlauf beeinträchtigen.
Die einfachste und bewährte Axialsicherung ist: mit dem Finger mit Weißleim die Bohrung ausstreichen und Wachshart knapp eine Stunde antrocknen lassen.
lag1.jpg
lag2.jpg
Wenn nun die Lager eingetrieben werden ( plan einschlagen, evtl. mit Unterlage aus Aluminium), schiebt sich ein
elastischer Leimrand vor und fixiert so das Lager ausreichend.
lag3.jpg
lag4.jpg
Wenn Du die Bauteile nur mit Madenschrauben auf der Welle befestigst, reicht das.
Wenn allerdings mit einem Schraubenzug in Achsrichtung gespannt wird, müssen U-Scheiben ausfüllend zwischen die Lager geschoben werden. Die U-Scheiben immer mit der gratfreien Seite zum Kugellager zeigend einbauen, dami8t der Grat nicht auf der Dichscheibe reibt.
lag5.jpg
Sicher kann auch mit exakt gedrehten Distanzringen gearbeitet werden, bei Reparaturen von Spinnrädern aber sicher etwas überzogen.
lag11.jpg
Oft reicht es auch, eine Schraube außen durchgucken zu lassen, die über den Außenring das Lager fixiert.

Nie dürfen wir eine Madenschraube direkt auf den Lagerring drücken lassen. Das führt zum Punktklemmen des Lagers und zur schnellen Zerstörung.

So und nun viel Spass beim Überholen Eures geliebten Spinnrades.
Falls noch Detailfragen sind, ich beantworte sie gerne.

Gruß von Jürgen
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