Kammzug verdirbt den Charakter?

Allgemeines zum Thema Spinnen (Spinnfasertypen, geschichtliches, ...)

Moderator: Claudi

Klara
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Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von Klara » 20.01.2011, 10:34

Nicht den der Spinnerin, natürlich, das würde ich mir nie erlauben. Aber ich finde, den der Wolle. Gestern habe ich durch meine Wingham-Woolworks-Einkäufe gegraben, wo ich eine Sammlung extrem unterschiedlicher Schafe habe: Shetland, Max Loghtan, unbenannte südamerikanische und skandinavische, Bluefaced Leicester, Merino - aber die Wollen sind sich relativ ähnlich. Klar, die Merino ist ein bisschen feiner und klebt ein bisschen mehr, die Shetland ist double-coated - aber eigentlich spinnt sich alles gleich und ich würde auch alles für ähnliche Endprodukte verwenden (zugegeben, ich habe die groben Wollen - die sie bei Wingham schon auch verkaufen - gar nicht erst genommen weil ich ja keine Teppiche webe oder knüpfe).

Und wenn ich daran denke, wie unterschiedlich die Vliese frisch vom Schaf gewesen sein müssen, denke ich mir: "Schade drum!" Für mich ist bei Kammzug der halbe Spass weg. Wobei ich mir sicher bin, dass es bei kardiertem Vlies nicht anders ist - ich habe da noch einen Rest Gotland, bei dem ist auch nichts mehr von der ursprünglichen Struktur zu sehen.

Macht mich das jetzt zum Masochisten? Immerhin verdamme ich mich mit dieser Einstellung zum lebenslangen Rohwolle-Waschen...

Ciao, Klara

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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von Salixgirl » 20.01.2011, 10:50

Ich kann gut nachvollziehen, was du da schreibst, selbst bearbeitete Wolle ist einfach die mit dem meisten Leben!
Eine Freundin von mir ist Schäferin, allerdings nicht mit ausgesprochenen Wollschafen, aber da würde ich auch mal von Anfang an alles bearbeiten! Das ist echt witzig, wenn man das Schaf sogar kennt! Aber ansonsten tue ich mich nicht so dran, es ist einfach zu aufwändig und als Weberin habe ich schon genug Aufwändiges zu tun.

Bei meinen Kammzügen sind aber durchaus auch noch große Unterschiede sicht- und fühlbar! Die südamerikanische Merino unterscheidet sich für mein Empfinden stark von der australischen, die graue ist etwas seidiger als die weiße, obwohl diese beiden fast gleich in der Mikronzahl sind....und die holländische ist wieder was ganz anderes....

Aber du hast recht, das wilde Leben ist nicht mehr drin.

Bei der eigenen Bearbeitung muß der Weg halt auch Teil des Ziels sein sonst würde es mich eher quälen!
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LG Doris
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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von shorty » 20.01.2011, 12:01

Ist der Grund warum ich eigentlich lieber Vlies spinne( von mir selber bearbeitet).
Viele Kammzüge sind mir obwohl natürlich als Vorzüge traumhaft weich und sehr konform schlicht zu "tot".

Ich finde gerade wenn man sich mit Rohwolle befasst und man die Wolle so von den verschiedensten Schafrassen vor sich hat, dass das individuelle der Rassen doch stark angeglichen ist, wie "glattgebügelt" durch den Kammzug.
Gerade bei mischwolligen Fasern ist es ja so, dass im Kammzug letztlich nur noch die langen Fasern vorhanden sind auch wenn das eigentlich gar nicht der Schafrasse entspricht.

Karin
Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst du im Heute von Neuem beginnen.

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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von angi » 20.01.2011, 12:03

ich quäle mich gerne ein bißchen!
Muß ich auch, bei 6-10 Schafen, 5 Alpakas und diversen Hundewollspendern in der Umgebung ;)
liebe Grüße, angi

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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von Sandolino » 20.01.2011, 13:01

Ich verspinne auch lieber vom Vlies und ich liebe die unterschiedlichen Farbschattierungen von Rohwolle(versch. Brauntöne, Grautöne etc.).
Ich hab ja Merino-mix-Wolle da und ich kenne diese Schafe persönlich, das hat schon irgendwas :]
viele Grüße von Alice und ihren Tieren

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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von melusine » 20.01.2011, 13:11

Habe heute erst bestellte Wolle ausgepackt-also ich spinn lieber Rohwolle.
LG,Melusine
PS.Ausnahme sehr stark verschmutztes.Also bei dem Dreck vergeht mir auch gerade der Spaß :fear:
Das Leben ist eine Spanne innerhalb einer Existenz....
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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von Katerchen » 20.01.2011, 13:21

auch ich spinne lieber aus dem Vlies, es ist für mich halt natürlicher. Und ausserdem mag ich die groben Wollen lieber. Australische Merino mag ich z.B. gar nicht, ist mir viel zu glatt.
liebe Grüße
Trixi

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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von quilty » 20.01.2011, 14:46

...Ihr Lieben - für mich als Anfänger: Was habt Ihr gemeint mit "aus dem Vlies spinnen" - kardiert oder unkardiert ?
es gibt ja auch z.B. bei Wollkn*ll die Wolle "kardiert im Vlies".
Aber Ihr meint sicher direkt aus dem sauberen unkardierten Vlies, oder ? Bei meinem Milchschaf könnt`ich es mir vorstellen!
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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von quilty » 20.01.2011, 15:00

...jetzt hab`ich Klaras Post zum 2. Mal gelesen und begriffen: kardiertes Vlies ist halbtot und Kammzug ganz tot :gut:
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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von Salixgirl » 20.01.2011, 15:08

Hallo quilty

Der Begriff "Vlies" kann für einen Anfänger sehr verwirrend sein, denn es werden zwei verschiedene Dinge damit bezeichnet:

Das was bei der Schur vom Schaf runter fällt ist das Vlies dieses Schafes. Durch das Wollfett und die anderen Substanzen hält das auch erst mal in Fellform richtig schön zusammen. Schöne, "saubere", gut geschorene Vliese kann man verspinnen, ohne groß was zu tun, man zieht sich die Locken nur ein bißchen auseinander oder geht mit der Flickkarde drüber.
Das ist das "Spinnen aus dem Vlies" in Reinform.
Wenn man vorher wäscht und dann verzupft ist das auch noch gerade so "aus dem Vlies".
Ich glaube, das ist hier gemeint!

Das zweite ist das Vlies, das du z.B.bei Wollknoll zu kaufen bekommst. Hier ist gemeint, daß die Wolle zu einem Vlies kardiert wurde, d.h. die Fasern liegen in einer Richtung und bilden eine Fläche. Lange und kurze Fasern sind darin vorhanden. Die Vliese von Wollknoll sind eher zum Filzen gedacht, beim Spinnen ist die Wolle doch sehr knubbelig.

Wenn man ein kardiertes Vlies nun mit Wollkämmen kämmt, bekommt man den Kammzug, wo kürzere Fasern dann rausgekämmt sind und die langen liegen bisweilen sehr fest und glatt aufeinander.
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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von Klara » 20.01.2011, 15:14

shorty hat geschrieben: wie "glattgebügelt" durch den Kammzug.
Gerade bei mischwolligen Fasern ist es ja so, dass im Kammzug letztlich nur noch die langen Fasern vorhanden sind
Karin
Glattgebügelt stimmt - irgendwo habe ich gelesen, dass die Wolle beim industriellen Kämmen gedämpft und langezogen wird.

Dass die kurzern Fasern rausfallen stimmt nicht - zumindest nicht bei den Wingham Woolworks-Kammzügen. Ich hatte dazu mal eine Diskussion im Knitter's Review Forum - http://www.knittersreview.com/forum/top ... C_ID=72868 .

@ Christine - wie schon gesagt, ich finde, beim industriellen kardieren geht der Charakter genauso verloren. Rohwolle spinnen mag' ich aber auch nicht! Aber wenn ich die ganze Bearbeitung von Anfang an mache, kann ich mir aussuchen, wie ich genau vorgehe - trenne ich Deckhaar und Unterwolle, oder kardiere ich alles zusammen, oder wasche ich nur ganz vorsichtig und mach' corespinning mit Wensleydale- oder Mohair-Locken, oder mische ich verschiedene Farben/Fasern (könnte ich bei Kammzügen theoretisch natürlich auch, aber ich bin zu geizig, um zuerst dafür zu zahlen, dass jemand anders die Arbeit macht - das ist es ja, was beim Kammzug Geld kostet - und die Arbeit dann noch mal zu machen), oder kämme ich und spinne möglichst glatt...

Industriekammzug bietet sich (für mich) in erster Linie für glattes Garn an. Und vielleicht bestimmte Effekt-Techniken.

Ciao, Klara

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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von fiberarts » 20.01.2011, 15:18

Ich spinne auch lieber vom Vlies.
In meiner gegend weis ich das nicht wo ich sie herbkommen könnte....in der USA bin ich da ganz schön verwöhnt worden da wusste ich von welchen Schaf ich die Wolle wollte..und ich konnte es besichtigen fühlen
und Schafszüchter habe ich auch nicht nicht kennengelernt... ;( ;(
ein Gedanke das mich deprimiert.
Dank einer Freundin die mir Spälsau in eine super qulität besorgen kann ja...
Tja, es gibt nichts schöneres mit Vliesen zu arbeiten :]
Happy Spinning

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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von kaha » 20.01.2011, 15:20

Also so ganz zustimmen kann ich da nicht.
Natürlich vereinheitlicht das Kämmen, das ist ja auch der Sinn der Sache.
Dadurch geht je nach Wolle auch mehr oder weniger "Charakter" verloren. Bei Coburger z.B. fallen recht viele der dunklen Haare raus, finde ich.
Aber dennoch unterscheiden sich die Kammzüge.
Und dass Dein kardierte Gotland vereinheitlicht ist, erstaunt mich. Ich finde sogar den Gotlandpelzschafkammzug (selber hergestellt allerdings) so unverkennbar anders als z.B. Kammzug vom braunen Milchschaf (auch selbst hergestellt).

An industriellen Kammzügen kann ich nur BFL, Coburger und Merino vergleichen. Und da merke ich auch noch genug Unterschiede.

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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von shorty » 20.01.2011, 15:41

Also nen Unterschied innerhalb der Kammzüge stelle ich schon fest ,manches ist weicher, glänzt stärker, feinere Haare usw. Auch in der Griffigkeit.

Aber so das ganz individuelle wird stark angeglichen bzw. Verfälscht.
Stört aber bestimmt nicht jeden
Man sieht der Fasern nur noch bedingt an, wieviel Crimp die Locke im einzelnen hatte, wie hoch der Anteil an kurzem Haar war, Stichelhaar usw.
Von ich sag mal als Beispiel 10 weissen Kammzügen in mittlerem Faserbereich die Rasse zuzuordnen finde ich schon sehr schwierig, sofern sie nicht durch ne ganz besondere Eigenart, wie sehr langer Stapel oder der Glanz bei der BFL rausstechen.

Mal als Extrem, Massam oder Wensleydale kann man locker von Merino unterscheiden.

Deutsche Merino von Südamerikanischer oder auch falkland, Shetland oder auch skandinavische ist viel schwerer, weil die Kammzüge ja nicht alle gleichbleibende Qualität haben, und sich die Wollen stärker ähneln.

Was das Rohwolle beschaffen anbelangt, sobald man mal irgendwo reingeschnuppert hat, auf Schäferfesten , Auktionen oder so kann man meist nur noch nen Bruchteil der Wolle verarbeiten, welcher einem angeboten wird :-))) Woher ich das wohl weiss.
Ist am Anfang ein bißerl zähgängig, aber Schafhalter gibts im ländl. Bereich eigentlich überall.

Wobei ich mit Vlies verspinnen eigentlich nicht an Rohwolle dachte, das verspinne ich nämlich nicht gerne :-)))) nur von ganz ausgewählten Schmankerln, handverlesen, wie die Faserprobe von Thomas oder so. ;-)

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Re: Kammzug verdirbt den Charakter?

Beitrag von Beyenburgerin » 20.01.2011, 15:44

Manchmal spinne ich auch gerne Kammzug, aber nicht nur. Und es gibt reichlich Unterschiede bei den industriellen Kardiermaschinen. Viele schreddern die Wolle und machen sie zum Einheitsbrei. Speziell ein Wollversand fällt für mich wegen der schlechten Qualität deshalb mittlerweile ganz aus. Da lobe ich mir die Kardiermaschinen bei Sauerlandwolle und Wollkämmerei Godoasar, da bleibt noch etwas vom Charakter der Wolle erhalten. Und vor allem von der Faserlänge. Ich habe mir auch fertig kariderte Wolle von Sauerlandwolle bestellt, ich wollte deren wolle mal testen. Es war Milchschafwolle 3,5 kg :) udn sie fühlt sich vom Griff her genauso an, als wenn ich in ein frisches Milchschafwollvlies greife, eben sehr elastisch. Bei mir war letztes Jahr einfach zu viel Rohwolle dazu gekommen, um sie alle selber zu kardieren. Und nur aus der Flocke spinnend hätte ich ich mein SABLE Alter locker auch 200 hochsetzen müssen.
Ich finde es schön, so einen ordentlichen Batzen Wolle auf dem Schoß oder z.T. neben mir zu haben, Vlies spinnen hat für mich etwas ganz ursprüngliches, auch wenn es schon gewaschen und kardiert ist.
Und auch ich habe natürlich wolel von Schafen, deren Namen ich kenn und die ich schon mal gekrault habe, das gehört einfach dazu.

LG Brigitte
Gruß aus dem Woll-Bergischen °°° Brigitte ||

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