Spinnwelle erneuern (rekonstruieren)

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wollwolff
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Spinnwelle erneuern (rekonstruieren)

Beitrag von wollwolff » 23.11.2011, 20:38

Liebe Rädchenreparateure,

heute möchte ich einen Bericht über das Neuaufbauen einer Spinnwelle schreiben. Als Vorspann galt der Beitrag "Spinnrad mit Wundertüte".

Die Definition:
Welle= Übertragung von Drehkräften, Achse = Tragen von Lasten.

Somit hätten wir beim Spinnrad eine Achswelle, da beide Kraftformen hier einwirken. Nun gut, wir haben recht geringe Kräfte und somit auch geringe, klassisch-zarte, Dimensionen am Spinnkopf.

Die Bruchstücke aus der "Wundertüte" , der Spinnmaulkörper war noch da, dazu noch auch die Welle im Wirtel abgebrochen. Da ich aber das gesamte Rad hatte, konnte ich die Masse ableiten.
A
Ich habe den Spinnmaulkörper mit einer 6mm Bohrung versehen und eine 6mm kaltgezogene Stahlwelle einsetzen. Die reichte dann weit hinein, so dass ich die alten 2 mm Stiftlöcher später zur Befestigung nutzen konnte.
B
Seht selbst den Aufbau am Bild = Spinnmaul ist rechts, dann nach links weiter der Körper (D11mm), die 2 mm Stiftbohrung und
dann die neu eingesetzte Stahlwelle.
Spinnwelle1.jpg
C
Der Flügel selbst war zwar gebrochen, aber so frisch und sauber, dass ich ihn mit Leim sauber wieder verbinden konnte. Auch sprach der
rel. massige Flügelquerschnitt für diese Reparatur. Er war 20 mm hoch, die Welle 6, also verblieben saubere 5,5 mm x 30 mm Holz ( 2x) für die Leimfläche. Das soll wohl reichen.
D
Nach dem Leimen, die Tropfen aus der Flügelbohrung und herausgeschabt über den im Schraubstock eingespannten 11er Bohrer den Flügel von Hand gedreht, gab es ein sauberes passiges Loch für den neuen Flügelsitz.
E
Die alte 2 mm Stiftbohrung konnte ich prima als Führung des M3- Kernbohrers nutzen und so auch die 6mm Stahlwelle anbohren
Spinnwelle2.jpg
F
Nun noch einmal die 6mm Welle herausgezogen, M3 zusammen durch Flügel und Spinnkopf geschnitten, fertig ist die späneschaffende Vorarbeit.
Die 6er Bohrung noch einmal innen beim M3-Austritt entgratet, sonst klemmt alles beim zusammenschieben.
Auf der 6er Welle war deutlich die Anbohrung zu sehen ( D2,5) und 1 mm tief. Diese nun nur noch auf 3 bis 3,5mm aufbohren das war's. Die Tiefe sollte nicht mehr als 1 mm sein, sonst schwächt es den 6er Querschnitt.
G
Zusammengebaut, eine M3 Senkschraube angezogen, dass die Schraube voran auf die 6er Welle drückt, das verspannt alles dauerhaft.
H
Der Wirtel sah recht traurig aus, als ich den halben "Bauch "wegoperiert hatte. Der Bruchsplitter saß verdreht im Holz und ging nicht vor und nicht zurück, aaaber ich war stärker ;o)
Spinnwelle4.jpg
I
Als Schönheitsbehandlung dreht ich den Wirtel an der Bruchseite mit dem Bohrstahl vorsichtig plan. Das geht an der Drehbank prima, weil sie einen Spindel- Handvorschub hat und ich somit Spanabnahmen unter 0,5 mm realisieren konnte.
Spinnwelle5.jpg
J
Der Wirtel hatte ursprünglich einen Konus aber ich bin hier einen neuen eigenen Weg gegangen. Die Wirtelbohrung war 10mm.
somit konnte ich ein SW-10mm Sechskant Messingmaterial auf Wirtellänge plus ca. 5 mm Überstand einpressen. Das Sechskantspitzenmaß ist mit 10,5mm Bohrung schon fest. Um den Wirtel nicht zu spalten, drehte ich die Spitzen ab auf sanfte Pressung, mit Leim.
K
Mittig längs bohrte ich eine Passbohrung von 6 H7 = Passmasstoleranz . H7 bedeutet: Null bis z.B. 0,05mm größer als Nennmaß. Damit hat man bei kaltgezogenem Rundstahl in derr Regel einen strammen Schiebesitz.
L
Da dreht Wirtel aber noch munter durch.
So säge ich von Hand mit einer scharfen Metall-Handsäge an der Wirtel -Messingnabe quer am hervorstehenden Ende einen Schlitz, die Bohrung gerade noch kreuzend, ca. 3 mm vom Ende.
Mit einen sanften Schlag ( Kunststoffhämmerchenkraft) auf das Schnittende stelle ich diesen 6mm Bohrungsteil etwas schräg.
Wenn ich jetzt die 6mm Spinnwelle in den Wirtel einstecke, hat diese Welle ca. 20 mm Gleitführung und dann am Ende das verspannte Stück.
Mit leichter Drehbewegung bekomme ich den Wirtel dann sauber bis vor die Spule gedrömmelt und wieder zurück ( zum Spulenwechsel).
Die Hemmwirkung durch die verspannte 6mm Bohrung ist so groß, daß zum Spinnen ausreicht.
Spinnwelle3.jpg
Hinweis:
Wer diese J-K-L Arbeitsstufen nicht verstanden hat, hierüber ist vielleicht ein extra Thema zu verfassen.

LG Jürgen
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Adsharta
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Re: Spinnwelle erneuern (rekonstruieren)

Beitrag von Adsharta » 24.11.2011, 07:01

Lieber Jürgen,
ich finde das ganz wunderbar, daß du hier immer so ausführliche Instandsetzungsanleitungen schreibst.
Danke nochmals im Namen des ganzen Forums.
lg Adsharta

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