Geduldsfaden hat geschrieben:Muss denn beim zweifädigen Rad so viel Schlupf sein? Da ist das Verhältnis von Drall zu Einzug doch vom Größenverhältnis Spulenwirtel zu Flügelwirtel weitgehend vorgegeben? Oder liege ich (als Anfänger) da völlig falsch?
Wenn das so wäre, verbraucht der Schlupf beim Zweifädigen doch weniger Energie als jede Bremse?
Ich glaube, dass man am Flügelrad "reichlich" Schlupf braucht. Das Größenverhältnis der Wirtel bestimmt den
minimalen Drall pro cm, den das Rad theoretisch rechnerisch erreichen könnte. Sobald du diese maximale Einzugsgeschwindigkeit mit den spinnenden Händen erreichst, hast du keine Spannung mehr auf dem Faden und es fühlt sich an, als ob du ihn ins Rad reinschieben müsstest. (Vgl. Kattuglas Eingangsbeitrag.) Man will also immer in einem Bereich unterhalb dieser maximalen Einzugsgeschwindigkeit arbeiten bzw. einen Drall erzeugen, der deutlich stärker ist als der minimal theoretisch mögliche, wie er sich aus dem Wirtelverhältnis errechnet. In diesem Arbeitsbereich möchte man, dass das Rad den jungen Faden
sanft aber
zuverlässig unter Spannung hält, egal ob man ihn gerade zurückhält oder ihn dem Rad zum Aufwickeln überlässt. "Sanft" stellt man mit der Antriebsschnurspannung ein, für "zuverlässig" ist es nötig, dass dieser Schlupf auch bei einem Wechsel der Einlaufgeschwindigkeit nicht aufhört.
Sobald ich Kraftschluss habe -- denken wir uns ein zweifädiges Rad mit Zahnriemenantrieb -- müsste ich diese sanfte Spannung auf dem gerade entstehenden Faden mit den Händen und deren Spinngeschwindigkeit erzeugen. Spinne ich zu schnell, verzwirbelt sich der Faden und wickelt sich um Häkchen, spinne ich zu langsam, reißt er. Und vergiss nicht die Zunahme des Durchmessers der Spule: würdest du im Kraftschluss spinnen, müsstest du laufend das Wirtelverhältnis ändern können: die volle Spule ist vielleicht viermal so dick wie der nackte Spulenkern, das würde bedeuten, dass der Drall bei voller Spule nur ein Viertel des Fadens am Anfang wäre -- kein tragbarer Zustand.
Anders sieht die Sache beim Spindelrad aus (Wanderrad, Charkha usw.). Da wird im langen Auszug gesponnen und die Elastizität des entstehenden Fadens, die Haltung der Fasern in der linken Hand und die Rückhaltekraft der Fasern im Faservorrat bestimmen die Spannung auf dem Faden.
shorty hat geschrieben:Jedenfals beim Vergleich "Paketschnur" zweifädig und Pur Schnur einädig. Der Flügel incl Spulen muss ja irgendwie in Bewegung kommen, ist doch deutlich direkter mit nem Band was stärker haftet, oder liege ich da falsch.
Das kommt auch stark auf die Wirtelprofile an. Bei V-förmigen Wirtelrillen hast du mit Wurstgarn oder Packsband kein Haftungsproblem. Die Spannung wird ja sehr genau eingestellt, um den Einzug sanft aber zuverlässig zu halten, dabei wird gleichzeitig sichergestellt, dass es gerade eben genug Antriebsspannung gibt. So werden die Lager so wenig wie möglich belastetet und laufen leichter und halten länger (Bei Kugellagern nicht das Hauptproblem, klar). So wie die Spule sich füllt, wird "automatisch" auch der Antrieb strammer gestellt, wenn man die Einzugskraft nachreguliert.
Die zweifädige Antriebsschnur läuft zweimal rum: Das ergibt die doppelte Oberfläche und die doppelte Länge, auf der die Schnur sich dehnt. So darf sie dünner und braucht nicht so elastisch zu sein. Sie braucht sich auch nicht an unterschiedliche Wirteldurchmesser anzupassen, das macht man ggfs. mit der Einstellschraube.
Klara hat geschrieben:Ich glaube - ohne es durchgerechnet zu haben - dass man mit zweifädigen Rädern ganz problemlos, mit wenig Kraftaufwand und wenig Schlupf spinnt, WENN das gewünschte Garn zum vom Spinnrad vorgegebenen Verhältnis von Drall zu Einzug passt. Weshalb ja z. B. Alden Amos, wenn er ein Spinnrad nach Mass baut, einen ganzseitigen Fragebogen ausfüllen lässt (Was für Garn soll gesponnen werden? Mit welcher Trittgeschwindigkeit? etc.)
Die Trittgeschwindigkeit hat nix damit zu tun, und "Was für Garn" hat auch noch andere Auswirkungen als das Wirtelverhältnis (Einzugsloch? Spulenkapazität?). Das wichtigste am Verhältnis Flügel-/Spulenwirtel ist, dass der Unterschied größer ist als benötigt.
aber zum gewünschten Garn kommt man genauso gut durch Rumprobieren, bis es passt
Nun ja, dazwischen liegen aber schon auch solche Fragen wie "Wie herum drehe ich die Schraube xy, damit z passiert" usw. Und für Bastler ist es auch interessant: Vor zwei Jahren hatte ich ja auch mal angefangen, ein zweifädiges Rad durch einen zweimotorigen E-Spinner nachzubilden. Was es mit dem Schlupf auf sich hat, habe ich erst später rausgefunden, teils durch empirische Aha-Erlebnisse am zweifädigen Rad mit Fußantrieb, teils bei der (zugegeben anstrengenden

) Lektüre von Alden Amos. Seither denke ich mir E-Spinner eigentlich nur noch spulengebremst, auch mit dem Hintergrund, dass man da ja bloß einen etwas größeren Motor braucht, um die evtl. nötige größere Kraft aufzubringen.
Beste Grüße -- Thomas