Geschichtliches: Männer und Spindeln

Allgemeines zum Thema Spinnen (Spinnfasertypen, geschichtliches, ...)

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Feuerdrache
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Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von Feuerdrache » 25.08.2010, 12:11

Ich interessiere mich für das historische Mittelalter.
Nach meinen bisherigen Kenntissen war das spinnen in dieser Epoche reine Frauensache - oder doch nicht? In wie weit waren die Männer in dieser zeitgeschlichlichen Epoche an der Fasern- und Textilherstellung beteiligt?

Wie haben sich die Dinge in der Neuzeit verändert?
Ich hatte bereits einen ähnlichen Thread im Handspinn - Forum. Vielleicht kennt jemand ein paar Details oder Belege die bisher nicht erwähnt wurden.

Herzlichen Dank für Eure Mühen,

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... Ich glaube, das Garn, das wir spinnen, ist in der Lage, die Risse in Kette und Schuß unseres Lebens zu flicken...
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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von Petzi » 25.08.2010, 14:04

Ob Männer gesponnen haben, weiß ich leider nicht, aber als Weber waren viele Männer aktiv.

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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von Moira » 25.08.2010, 14:15

Ich stamme aus einer alten Hugenottenfamilie, die über Erlangen in die Oberpfalz gekommen ist. Alle waren als Strumpfwirker tätig, wobei die Männer eher leitende Positionen, die Frauen eher in der Fabrik, also direkt am Objekt Wolle gearbeitet haben. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass manche Männer auch gesponnen haben - es war ja eine richtige Handwerkszunft und nichts ehrenrühriges. Zeitlich würde ich diese Info eher in den Bereich Neuzeit einordnen. Vielleicht hilft Dir eine Recherche über Hugenotten und ihre Tätigkeiten weiter ???? In Bad Karlhofen gibt es ein Hugenotten-Museum
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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von Samaha » 25.08.2010, 15:07

Hallo,

bzgl. Neuzeit kann ich Dir sagen, dass in den Anden auch heutzuge noch auch die Männer spinnen - gibt es Videobelege dazu.

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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von Greifenritter » 25.08.2010, 17:18

Da man früher das Garn ausschließlich mit der Handspindel fertigen mußte und dies lange dauerte kann ich mir aus der Logik heraus vorstellen, daß die Männer - sofern sie dafür Zeit hatten und nicht mit anderen, körperlich schwereren Arbeiten betraut waren - durchaus auch mitgesponnen haben. Als Kinder sicherlich, als Erwachsene dann warscheinlich nur wenn die Zeit es zuliess.
Ich denke auch nicht daß es davon viele Abbildungen geben wird, denn die Abbildungen des Mittelalters haben ja immer etwas symbolisch-klischehaftes und da werden "Notlösungen" wie der mit spinnende Mann um das Garn rechtzeitig fertig zu bekommen sicher nicht oft erscheinen.

Irgendwo habe ich mal eine Abbildung aus dem späten Mittelalter gesehen auf der ein Mann mit einer Handspindel zu sehen war, allerdings hielt er diese mit spitzen Fingern vor sich und stand neben einem, Webstuhl. Ist also nicht so klar erkennbar ob er gesponnen hat oder nur das garn zum Webstuhl bringt. Ich muß mal stöbern, irgendwo hatte ich mir das Bild mit Quellverweis abgespeichert. ich hoffe ich finde es (bei mir herrscht nach einem Rechnerumzug noch arbe Unordnung auf den Platten).
Es gab auch irggendwo einen Holzschnitt mit spinnenden Männern (ich glaube das war auf www.deutschland-im-mittelalter.de), aber das war meines Wissens eine spätere Darstellung aus dem 16. Jht. glaube ich. Ist dann ja nicht mehr Mittelalter. Das habe ich auch mit dem anderen zusammen abgesppeichert *stöber*

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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von tabata » 25.08.2010, 18:27

Ich habe grad irgendwo gelesen, das das Spinnen wohl die Frauenarbeit, die Wollvorbereitung (waschen und Kämmen) die Männerarbeit war..

Eine Buchempfehlung zum geschichtlichen..Handbuch Garne

http://www.amazon.de/Handbuch-Garne-Ges ... 3258071837
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http://www.ravelry.com/projects/tabatateddy

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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von Beyenburgerin » 25.08.2010, 20:10

Der Beruf des Strickers war ein Männerberuf. Frauen haben jahrhundertelang nur für den häuslichen Bedarf gestrickt, wenn überhaupt. Es ist also ein Zeichen der Emanzipation, dass Frauen ind er Öffentlichkeit stricken.
Es ist denkbar, dass auch der Beruf des Spinners erst mal ein männlicher Beruf war.

LG Brigitte
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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von Miriam » 25.08.2010, 21:01

Ich denke, rein von der Häufigkeit der Abbildungen, dass wohl Weben, wie schon erwähnt, eher ein Männerberuf war; beim Spinnen sind es schon meist Frauen auf den Bildern, ich kenne da allerdings auch viele Marien- und Königinnendarstellungen, und das entspricht ja auch nicht unbedingt der Alltagsrealität. (Danke, Danny, für den Hinweis auf die "Männer-Bilder", das interessiert mich auch :) ).
Da man früher das Garn ausschließlich mit der Handspindel fertigen mußte und dies lange dauerte kann ich mir aus der Logik heraus vorstellen, daß die Männer - sofern sie dafür Zeit hatten und nicht mit anderen, körperlich schwereren Arbeiten betraut waren - durchaus auch mitgesponnen haben. Als Kinder sicherlich, als Erwachsene dann warscheinlich nur wenn die Zeit es zuliess.
Das kann ich mir auch vorstellen, vielleicht vor allem dann, wenn sie keine schweren körperlichen Arbeiten (mehr) verrichten konnten? Ich glaube, wir hatten den Hinweis auf dieses Buch schon irgendwo einmal, aber bei Irsigler und Lassotta wird eine Verordnung zitiert, nach der Bettler, Verkrüppelte, Landstreicher und sonstige bedingt arbeitsfähige Randgruppen, um sich nützlich zu machen, leichte Arbeiten wie Spinnen verrichten sollten. Das Buch bezieht sich auf das Köln des 15./16. Jahrhunderts.
http://www.amazon.de/Bettler-Gaukler-Di ... 101&sr=8-1
Was den Bereich der Heimarbeit angeht, denke ich, dass Männer vielleicht auch mal in der knapp bemessenen Freizeit gesponnen haben, wenn dringend Garn nötig war, oder vielleicht auch, wenn sie zu Fuß unterwegs waren.

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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von thomas_f » 25.08.2010, 22:36

Wenn ich hierzulande mal auf Familienparties von Alteingesessenen eingeladen bin und das Gespräch unweigerlich auf Schafhaltung und Wolle kommt, erzählen die alten Männer, dass sie "früher" (als Kinder? als Jugendliche?) immer gesponnen haben, und zwar, wenn ich das richtig verstanden habe, auf Handspindeln. Auf den Höfen hat es anscheinend meist einen oder mehrere Hammel gegeben, weil deren Wolle als besonders gut galt. Die wurde anscheinend für den Eigenbedarf versponnen. Ob das nun Kinderarbeit oder Männerarbeit war, kann ich nicht sagen.

Beste Grüße -- Thomas

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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von Anna » 26.08.2010, 00:28

Ich habe mal die Reproduktion eines ägyptischen Wandgemäldes aus der Pharaonenzeit gesehen, auf der Männer mit Spindeln zu erkennen waren. Irgendwo muss ich das Bild noch haben, ich geh mal suchen, wahrscheinlich liegt es in einem Strick- oder Spinnbuch ...
Gruß von Anna
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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von Greifenritter » 26.08.2010, 00:53

Ja, an ein Ägyptisches Bild mit spinnenden Männern kann ich mich auch erinnern, das hatte ich irgendwo in einem meinr Bücher hier. Allerdings ist das hald ein ganz anderer Kulturkreis.

Wo die Textilarbeit im Rahmen einer Zunft ausgeübt wurde und somit in den Augen der damaligen Zeit ein "richtiger" Beruf war, da war es immer erst mal Männersache (z.B. Schneider, Weber, ...). Die häusliche Textilarbeit ist schon aus rein logischen Gründen in erster Linie den Frauen zugefallen. Genauso verhielt es sich mit "niedrigen" Tätigkeiten außerhalb des Zunfthandwerks, also auch dem gewerblichen Spinnen. Wobei ich auch schon gelesen habe, daß man Alte und Krüppel spinnen ließ (kann sein, daß es das von Miriam verlinkte Buch war in dem ich das gelesen habe, das hat nämlich meine Schwester)

Spinnen war soviel ich weiß eine der wenigen Tätigkeiten die auch den Damen aus hohem Haus nicht erspart blieb. Angeblich wurde ja von den reichen Damen sogar zu Pferde gesponnen wenn man unterwegs war. Ich denke dies war dem hohen Garnverbrauch beim Weben und der niedrigen Produktionsgeschwindigkeit der Handspindeln geschuldet (daraus ja auch mein Schluß daß Jungs und auch Männer ärmerer Schichten, wenn sie mal nicht genug schwere Arbeit verrichten mußten auch dazu herangezogen wurden).

Ich habe schon auf meinen div. Alten Datenträgern zu stöbern begonnen aber die Bilder noch nicht gefunden *seufz*.

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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von Elisabeth62 » 26.08.2010, 08:52

beim Spinnen sind es schon meist Frauen auf den Bildern, ich kenne da allerdings auch viele Marien- und Königinnendarstellungen, und das entspricht ja auch nicht unbedingt der Alltagsrealität.
Nachdem ja einige Darstellungsweisen der Antike im religiösen Bereich überlebt haben- ich denke da an Maria auf der Mondsichel , deren antikes Vorbild die Darstellung der Mondgöttin Selene war- könne es bei der darstellung spinnender Damen der Oberschicht ja ähnlich sein. Auf römischen Grabinschriften für Frauen ist der Spruch überliefert:
Domum servavit, lanam fecit. Das bedeutet sinngemäß "Sie diente dem Haus und machte die Wolle." In diesem Zusammenhang war das ein Hinweis auf ihre Tugendhaftigkeit und ihre Musterhaftigkeit als Ehefrau. Grad im Zusammenhang mit Maria könnt ich mir hier eine derartige Interpretation auch vorstellen.

Um zur ursprünglichen Frage zurückzukehren, nämlich ob Männer spannen, tät ich mal sagen, daß man das differenzieren sollte, einmal zeitlich gesehen-das MA ist ja lang, es gibt Zeiten, in denen hauptsächlich für den Eigenbedarf produziert wurde und Zeiten, in denen man auch für Handel produzierte -dann regional, die Entwicklung verlief nicht gleichzeitig, evtl. noch altersmäßig- ich denke, daß ziemlich sicher auch Kinder mitarbeiten mussten und Alte konnten leichte Tätigkeiten auch noch verrichten - und zudem noch schichtspezifisch. Ein armer Mann musste vielleicht Tätigkeiten verrichten, die einem Höhergestellten nie in den Sinn kamen.

Grüße Elisabeth

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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von Greifenritter » 27.08.2010, 08:39

Die Differenzierung ist ein wichtiger Punkt. ich kann mir auch nicht vorstellen, daß höhergestellte herren gesponnen haben. Je ärmer desto warscheinlicher kommt es mir vor.

Bei den alten gibt es ja auch den Ausdruck "alter Knacker", der vom knacken der Haspel beim Rundenzählen kommt. Die Haspeln mit Rundenzähler sind meines Wissens zwar später, aber es ging ja auch um die frühe Neuzeit.

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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von Feuerdrache » 31.08.2010, 09:30

Herzlichen Dank für die vielen Antworten und die vielen Informationen. :) :gut:

Mariendarstellungen mit einer Mondsichel:
Die Mondsichel ist nicht nur ein Symbol für die Göttin Selene, sie war im Mittelalter auch ein Hinweis auf die Menses. Aus diesem Grund ist die Mondsichel gelegentlich am Rand rot eingefärbt.

Mittelalter - Darstellung:
Meine Mittelalter - Darstellung(en) beziehen sich auf die Jahre 620 und 955 a.D.
Von der sozialen Schicht her schwanke ich - je nach Tätigkeit - zwischen Randgruppe und gehobener Mittelschicht.
Davon ausgehend darf ich also als junger unverheirateter Mann für den Eigenbedarf spindeln, wenn das schwere Tagewerk vollbracht ist?

viele Grüsse,

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Re: Geschichtliches: Männer und Spindeln

Beitrag von Greifenritter » 31.08.2010, 17:51

Ich denke mal daß das im Frühmittelalter nicht anders war als im Hochmittelalter.

Dir wird wohl keiner belegen können, daß Du es nicht getan hättest und wirklich gute Argumente dagegen dürften schwer zu finden sein. Allerdings sieht es mit Belegen daß Du es getan hättest eben auch mau aus.

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