Kämmen von langen Fasern?

Fasern waschen, zupfen, kämmen, kardieren und mischen

Moderator: Claudi

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Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von Fiall » 15.08.2012, 09:38

Guten Morgen ihr Lieben,

ich hab gestern Abend beschlossen meine geflickten Alpakalocken in Kammzug zu verwandeln. Heute morgen hab ich zwei bereits kardierte Vliese auf die Kämme gegeben und musste erstmal lernen, dass man so lange Fasern bei jedem Kammvorgang schön nach hinten streichen muss, weil sich sonst alles heillos auf den Kämmen verwirrt.

Dann jedoch ging es ans Abziehen der Fasern und hier ging der Ärger richtig los. Mein relativ kurzstapeliges Merino lässt sich wunderbar von den Kämmen abziehen. Für die langen Fasern brauch ich aber enorm viel Kraft. Mittendrin befindet sich immer ein Faserstrang, der sich nicht von den Zinken lösen will. :(

Gibt es da irgendeinen Trick? Mach ich was falsch beim Abkämmen? Eigentlich dachte ich, das Kämmen sei explizit für solch lange Fasern und bin jetzt recht frustriert, denn auf die Weise hol ich mir Blasen und massakrier meine Gelenke. :(
GLG,

Veronika

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Re: Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von thomas_f » 15.08.2012, 10:19

Moin,

Woran es genau liegt, kann man natürlich auf die Entfernung nicht sagen, auch kenne ich die Wollwolffschen Kämme nicht persönlich, aber ein paar "Tricks" von den englischen Kämmen sind diese:

Es ist ja klar, dass man nicht versucht, die Faser selbst zu zerreißen, sondern die Fasern aneinander vorbeigleiten zu lassen. Die beiden Punkte, an denen die Faser gehalten wird -- vom Kamm und von der Hand -- müssen also so weit auseinander liegen, dass nicht dieselbe Faser an beiden Stellen festgehalten wird. Das ist bei den langen Fasern ein größerer Abstand!

Der zweite "Trick": Die Fasern sollen sich nicht allzusehr um die Zinken wickeln. Sonst erwische ich beim Abziehen beide Enden derselben Faser, die sich hinten U-förmig an einer oder mehreren Zinken festhält. Will sagen: Nicht erst beim Abziehen, sondern schon beim Kämmen immer nur die Spitzen kämmen und den Rest der Faser damit aus dem Büschel ziehen.

Der dritte: Erstmal weniger Fasern auf den Kamm packen. :)

Was mir die Arbeit sehr erleichtert: Ein paar Tropfen raffiniertes Speiseöl (das ist das billige, das wird nicht so schnell ranzig ;) ) oder Wasser-Öl-Emulsion an die Fasern geben. Sie gleiten dann weicher aneinander vorbei. Ist Alpaka nicht eh etwas auf der trockenen Seite?

Bei meinen Kämmen nehme ich bei der Bewegung von oben nach unten immer den langen Ziegenbart über den Rücken des Handkamms nach hinten und halte ihn mit dem Daumen fest. Bei der Arbeit von rechts nach links hängt der Bart des fixierten Kamms nach unten und ist damit aus dem Weg.

Nebenbei: die Zinken der Kämme stehen immer im rechten Winkel zueinander, gell? Sonst gehts wirklich schwer...

Beste Grüße -- Thomas

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Re: Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von Fiall » 15.08.2012, 11:18

Hallo Thomas,

ich denke das Problem liegt hauptsächlich darin, dass sich die Fasern zu sehr um die Zinken wickeln und ich beide Enden in den Fingern habe. Ich gebe mir aber Mühe, nur die Spitzen auszukämmen. Nach einer Weile scheint sich da aber nicht mehr viel zu tun und ich kämme etwas tiefer rein.

Liegt dann wahrscheinlich daran, dass ich die Kämme richtig gut vollpacke.

Alpaka ist furztrocken. Ich hab bisher noch keine Öl-Wasser-Emulsion und ähnliches benutzt. Irgendwie hat sich mir der Sinn noch nicht erschlossen. Bei Alpaka hab ich gelesen, soll es die statische Aufladung vermindern. Damit hatte ich aber nun keine Probleme.

Auch erhitze ich die Zinken nicht. Ich ratze mich schon genug. Da müssen nicht noch Verbrennungen hinzukommen. *g*

An den rechten Winkel halt ich mich aber. Ist auch gesünder für meine Fingerchen. *g*

Ich war bei meinem Test besonders darüber enttäuscht, dass ich schöne lange, saubere Locken habe und am Ende Abfall übrig behalte, weil sich die Fasern über den Zinken verwurschteln und sogar Knübbelchen entstehen.

Ich werd das jetzt noch mal mit deinen Tips testen und ansonsten doch aus den Locken spinnen.

Bei meinem kurzstapligen Merino war mir da auf Dauer einfach zu wenig Substanz vorhanden. Man grabschte laufend nach der nächsten Locke. Abfall bleibt da aber trotz vorherigem Bearbeiten mit der Flickkarde leider auch. Kann ich aber wesentlich besser verschmerzen, als bei ner teuren Edelfaser wie Alpaka.

So, jetzt muss ich mal die alten Blumenspritze ausgraben!

Vielen Dank für deine ausführlichen Tips!
GLG,

Veronika

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Re: Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von thomas_f » 15.08.2012, 12:00

Auch erhitze ich die Zinken nicht. Ich ratze mich schon genug. Da müssen nicht noch Verbrennungen hinzukommen. *g*
Das dient auch nur dazu, dass das Wollwachs weicher und das Wollfett flüssiger wird und alles leichter rutscht. Würde also wohl bei dem fettarmen Alpaka eh eher wenig bringen.
So, jetzt muss ich mal die alten Blumenspritze ausgraben!
Ich gebe immer ganz Low-Tech ein paar Tropfen Öl auf die Wolle und vermische das ein wenig, bevor ich den Kamm lade. Beim Kämmen verteilt sich das ziemlich gleichmäßig. Die Blumenspritze mit Wasser steht höchstens für Fälle von Statik daneben (hier auch selten im Einsatz).

Beste Grüße -- Thomas

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Re: Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von Troll » 15.08.2012, 13:50

Ansonsten fang mit wirklich wenig Fasern in der Mitte des Kamms an - vollpacken kannst du später immer noch, wenn das mit kleinen Mengen klappt.

Sonst noch üben üben üben!!!

(Ähm - mir fällt das kämmen erstaunlicherweise viel leichter, seitdem ich mein Praktikum als Masseurin mache - und entsprechend Muskeln bekommen hab :D )

Wirklich leicht läßt sich nach meiner bisherigen Erfahrung auch nur Heidschnucke kämmen - alles andere brauchte bei mir einfach etwas Kraft - besonders wenn die Wolle noch viel Lanolin enthällt. (Nein, Alpaka hab ich noch nicht probiert )

Aber tröste dich - anfangs hab ich mir mit meinen selfmade - Kämmen auch fast die Ohren gebrochen. Das wird mit der Zeit...

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Re: Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von Fiall » 15.08.2012, 13:56

Oh, meine restliche Wolle ist auch weitgehend fettfrei, da gründlich vorgewaschen. Nur an Stellen, wo das Vlies gut zusammengepappt war, haben sich Reste von Wollfett gehalten. Da bin ich doch froh, dass es keinen anderen Grund für die heißen Spitzen gibt.

Ich hab jetzt mal mit der Blumenspritze (Öl-Wasser-Gemisch) experimentiert. Hab aber den Eindruck, dass der wirkliche Unterschied sich bei der von dir erwähnten geringeren Beladung zeigt. Sobald ich den Kamm schön voll packe, bekomme ich Probleme. Packe ich ihn nur halb voll, lässt sich die Wolle sehr schön runter kämmen, ob nun mit Ölemulsion oder ohne.

Ich muss aber feststellen, dass ich kürzere Fasern lieber kämme, als richtig lange. Die Alpakalocken, die ich hier hab, sind teilweise 25cm lang. Das wird irgendwie unhandlich, auch wenn sie sich soweit brav benehmen und nix elektrisch auflädt.

Für heute hab ich jedenfalls genug vom Kämmen und werd mich jetzt ans Spinnen machen.

Fixierst du eigentlich die Kämme im Wechsel oder kämmst du die Fasern zurück auf den fixierten Kamm? Das hab ich eben getestet, weil ich es anderswo gelesen hab, fand es aber irgendwie nicht so prickelnd. Hatte das Gefühl mir dabei die Sicht auf die Fasern und was ich tue zu verbauen.
GLG,

Veronika

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Re: Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von Fiall » 15.08.2012, 14:02

@Troll: Meine ersten Versuche haben mich die Kämme auch fast in die Verbannung schicken lassen. Mittlerweile erziele ich aber recht gute Ergebnisse bei meinem Merino, obwohl das grade mal eine Stapellänge von 6-8cm hat. War wahrscheinlich zu viel des Guten dass ich von superkurz auf eeeewig lang umgestiegen bin.

Hab mich eigentlich wieder exakt wie beim ersten Kämmen gefühlt und das grade, wo ich mich mit den Mordinstrumenten angefreundet hab.

Aber auch das Merino klappt nun durch Thomas Tip wesentlich besser. Anfangs hab ich die Fasern sogar noch angedrückt, damit noch mehr auf den Kamm geht. Hüstel, das war gar keine gute Idee. Das ich mit halber Beladung noch ne Verbesserung erzielen könnte, hätte ich aber echt nicht gedacht.

Tante Edith meint noch: Muskelkraft brauch ich eigentlich gar nicht, sofern ich drauf achte, nicht zu viel Locken auf einmal zu flicken und nicht zu weit hinten zu kämmen. Auch das Abziehen klappt überwiegend sehr gut, wenn die Faser sich nicht zu weit um die Zinken geschlungen haben, so dass man, wie Thomas das oben schilderte beide Faserenden beim Ausziehen greift. Auch das passiert mir überwiegend, wenn ich den Kamm dann doch mal wieder zu voll lade.
GLG,

Veronika

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Re: Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von thomas_f » 15.08.2012, 15:42

Fixierst du eigentlich die Kämme im Wechsel oder kämmst du die Fasern zurück auf den fixierten Kamm? Das hab ich eben getestet, weil ich es anderswo gelesen hab, fand es aber irgendwie nicht so prickelnd. Hatte das Gefühl mir dabei die Sicht auf die Fasern und was ich tue zu verbauen.
Wozu sollte ich mir das Umspannen antun? Damit ich die ganze Zeit dieselbe Bewegung mache, statt den eh nicht ganz leichten Kamm mal von oben nach unten, mal von rechts nach links schwingen zu dürfen? :eek: Meiner Schulter ist es so lieber. ;)

Bei unserer Wolle/unseren Kämmen habe ich aber auch noch nicht die Übersicht verloren, der Spitzbart steht recht schön ab, ich kann damit problemlos auf die Kammspitzen zielen. Würde er lämmerschwanzartig runterhängen, sähe das evtl. anders aus.

Fett- und wachshaltige Wolle ist beim momentanen Wetter deutlich flutschiger und kämmbarer ;) . Genau was man braucht: körperliche Betätigung bei Sommerhitze (oder was wir dieses Jahr so nennen) . ;)

Beste Grüße -- Thomas

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Re: Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von Fiall » 15.08.2012, 15:58

Nee, auch mit der spitzbärtigen Wolle werd ich da nicht glücklich. Aber ich teste das noch ein paar mal. Wer weiß, vielleicht bekomm ich den Dreh noch raus.

Die Kämme vom Wollwolf sind aber glücklicherweise nicht so schwer.

Hm, ob das viele Kalorien verbrennt? Fürchte eher nicht. :)
GLG,

Veronika

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Re: Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von Troll » 15.08.2012, 16:06

Also wenn Fetthaltige Wolle so schön zäh wird, dann brauchst du sehr wohl Muskeln - und deren Entstehung und Beanspruchung verbrennt sehr wohl Kalorien. Allerdings wohl nicht sooo viel, dass mehr Schokolade drin ist...

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Re: Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von Arachne » 16.08.2012, 18:47

Fiall hat geschrieben:Auch erhitze ich die Zinken nicht. Ich ratze mich schon genug. Da müssen nicht noch Verbrennungen hinzukommen.
Geht schon besser warm, da man die Zinken nicht anfasst, sehe ich da keine Verbrennungsgefahr. Ich habe es von Jacquie Teal höchstselbst so gelernt: normalen Wasserkocher nehmen, gut vollfüllen, kochen lassen, Kamm für 5-10 Sekunden mit den Zinken reinhalten - fertig.

Sigrid
Geschichte und Bedeutung des Spinnrads in Europa, Shaker Media Verlag, gebunde Ausgabe
http://spinnrad.jimdo.com/

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Re: Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von Fiall » 16.08.2012, 19:42

Ich fass die Zinken durchaus an, wenn auch nicht immer absichtlich. :) Mich stört aber auch der zusätzliche Stromverbrauch.
GLG,

Veronika

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Re: Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von stuart63 » 16.08.2012, 20:20

Ich kämme meine Milchschafwolle. seit ich glückliche Besitzerin von einer BJ Kämmstation bin.
Milchschaf ist ja eher langfasrig und ich mache bei jeder Kämmbewegung mit dem kämmenden Kamm (blödes Wort) so eine Schwungbewegung nach hinten als ob man die Haare nach hinten wirft. Sonst entsteht natürlich ein heilloses Durcheinander.

Abziehen tue ich es mit einem Dizz und über beim vorsichtigen anziehen eine leichte links/rechts Bewegung aus, um die Faser leicht zu lockern, dann geht das Ausziehen leichter. Mein Gott ist das blöd zu erklären......

Da sieht man es ganz gut:

http://www.youtube.com/watch?v=Hjimjv-b2aE

LG Katja
Wer sich selbst treu bleiben will, kann nicht immer anderen treu bleiben

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Re: Kämmen von langen Fasern?

Beitrag von Fiall » 17.08.2012, 10:23

Ich hab grade Wolle abgezogen und das leichte Hin- und Herbewegen hilft wirklich sehr. Vielen Dank für den Tip!
GLG,

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