Zweifädig stufenweise
Verfasst: 08.07.2016, 20:38
In unseren Spinnanfängen ging es erst einmal darum, für meine Frau überhaupt (irgend)ein Spinnrad zu besorgen, das irgendwie funktioniert. Das ging ziemlich schnell in eine Kaufrauschphase über, während der aus dem „irgendwie funktionsfähig“ allmählich „zufriedenstellend funktionsfähig“ wurde. So kamen nach und nach 14 spinnfähige Räder zusammen, davon 9 Stück mit zweifädigem Antrieb. Diese Zusammensetzung war nicht unbedingt so geplant, allerdings spiegelt das m.E. die Spinnvorlieben meiner Frau wieder. Durch die in der Zwischenzeit gesammelten Infos und Erfahrungen (schwerpunktmäßig in diesem Forum, dafür kann ich nicht oft genug Danke sagen) habe ich angefangen mir darüber Gedanken zu machen, wie ich aus diesem Bestand für meine Frau „maßgeschneiderte“ optimierte Spinnräder machen kann.
Das Ergebnis der Entwicklung bezüglich des zweifädigen Antriebs möchte ich Euch nach ca. einem Jahr praktischer Tests nun vorstellen. Allerdings bin ich mir dessen bewusst, dass ich als Nichtspinner insbesondere mit den spinn-theoretischen Überlegungen ein recht dünnes Eis betrete. Daher bitte ich beim Irrtum oder nur Zweifel an Richtigkeit um eine fachkundige Korrektur. Ich möchte gern etwas dazu lernen. Die Problematik, auf die ich ziele, kann man sich am einfachsten am einfädigen Antrieb mit Spulenbremse veranschaulichen bzw. an seinem Vergleich mit Zweifädig: Mit einer leeren Spule und relativ locker eingestellter Bremse fängt man an zu spinnen. Falls ein Stufen- oder mehrere Austauschwirtel vorhanden sind, kann man auch die passende Übersetzung auswählen bzw. auch während des Spinnens ändern. Im Laufe der Zeit füllt sich die Spule, man zieht die Bremse allmählich immer strammer, ggf. kann man (Stufenwirtel vorausgesetzt) eine oder mehrere Stufen langsamer schalten, um den durch die Bremswirkung erhöhten Tretwiderstand wieder zu kompensieren. Alles sehr einfach und komfortabel, da Änderungen flexibel und ohne Umbau möglich sind. Die Nachteile sollen sein, dass es insgesamt etwas weniger leichtgängig und die Einstellung etwas weniger fein möglich ist als beim zweifädigen Antrieb.
Zweifädig dagegen, hat man die gemeinsame Antriebsspannung zur Verfügung, traditionell in Verbindung mit nur einem bis zwei Übersetzungen auf dem Wirtel. Die Aspekte, die hier berücksichtigt werden sollten, sind allerdings im Vergleich zu Einfädig ein wenig vielfältiger:
1)Auch hier könnte man einen Stufenwirtel einsetzen. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, welche Verhältnisse der Rillendurchmesser (Wirkdurchmesser) der Spule und des Wirtels sinnvoll sind. Lt. Angaben in dem angehängten Dokument von Frau Sigrid Vogt soll der Wirkdurchmesser der Wirtelrille um minimal 12% bis 20% größer sein als der Durchmesser der Spulenrille. Für das Maximum fand ich leider keine Angaben, ich vermute jedoch, dass es das auch geben muss. Mangels eines mir bekannten Fachbegriffs nenne ich es im Weiteren Einzugsverhältnis.
2)Durch den jeweiligen Querschnitt der Rille kann man (konstruktiv, ein für alle Male) vorbestimmen, ob und wie unterschiedlich sich die gemeinsame Antriebsspannung jeweils auf die Spule und den Wirtel auswirkt. Überwiegend wird die Meinung vertreten, dass die Spulenrille einen flachen oder verrundeten Grund haben soll, die Wirtelrille dagegen V-förmig spitz eingestochen sein sollte. Damit wird die Voraussetzung dafür geschaffen, dass während sich die Antriebsschnur in der Wirtelrille an den Flanken abstützt und sich quasi dazwischen verkeilt, kann sie nahezu ungehindert in der Spulenrille durchrutschen. Die vor dem Spinnrad sitzende Person kann also wesentlicher durch das Festhalten der Fasern auf die Eigenschaften des Garns Einfluss nehmen. Wären beide Rillen spitz (diese Philosophie vertritt offensichtlich z.B. Herr Wyatt von http://wyattspinwheels.com/), wäre die Bandbreite des Beeinflussbaren wahrscheinlich deutlich schmäler, allerdings die Gleichmäßigkeit des gesponnenen Garns würde sich theoretisch erhöhen.
3)Auch beim 2F tritt das Phänomen der vollen Spule auf, ausgeglichen wird es über die erhöhte Antriebsspannung. Der Ausgleich des erhöhten Tretwiderstands durch das „Herunterschalten“ ist hier zwangsläufig mit der Änderung des Einzugsverhältnisses verbunden, und (wohl deswegen?) konstruktiv nicht vorgesehen.
Es sei denn, dachte ich mir, man versieht auch die Spule mit mehreren sinnvoll gestuften Rillen und setzt einen Stufenwirtel davor. Im obigen Beispielbild kann die Spulenrille „A“ mit allen Rillen des Wirtels „kommunizieren“. Die einzige antriebstechnische Voraussetzung ist, dass die kleinste Wirtelrille einen mindestens um die besagten 12% bzw. 20% größeren Wirkdurchmesser hat als „A“. Rille „B“ kann in Verbindung mit den Rillen 2 bis 5 am Wirtel genutzt werden, und bei der Rille „C“ stehen nur noch die Rillen 3, 4, und 5 zur Verfügung. Gegenüber einer traditionellen Spule mit nur einer Rille würde sich also die Zahl der Nutzungsmöglichkeiten von 5 auf 12 erhöhen, bei gleichbleibender Zahl von 5 Übersetzungen.
Gleichzeitig gäbe es so die Möglichkeit, dass bei zunehmend voller Spule nicht nur die Übersetzung (und somit der Tretwiderstand) angepasst werden, sondern auch das Einzugsverhältnis etwa gleich bleiben könnte. Oder aber, man könnte gezielt das Einzugsverhältnis variieren (wäre es denn zu etwas gut?).
Aus mehreren Gründen wäre es also sinnvoll sowas versuchen zu bauen, zumal ich die technologischen Möglichkeiten dazu habe.
Für die Form der Spulen- bzw. der Wirtelrille habe ich meine speziell für den Spinnradbau angefertigten Drehwerkzeuge vermessen, und habe mich daher für eine schräg eingestochene Spulenrille in Trapezform mit einem 1,3 mm breiten Rillengrund entschieden. Die Wirtelrille sollte ebenfalls eine Trapezform erhalten, der Rillengrund sollte hier nur 0,6 mm breit sein. Der Flankenwinkel sollte bei beiden Rillen die bereits mehrfach bewährten ca. 28° betragen. Damit sollte einerseits die erforderliche Vorspannung der Antriebsschnur (und somit auch der Tretwiderstand) spürbar reduziert werden, andererseits erhoffte ich mir dadurch für meine Frau mehr Freiheit bei der Garngestaltung durch einen breiteren und feinfühligeren Einstellbereich des Einzugs. Als Versuchsträger für die o.a. Konstruktion habe ich einen seit Jahren herumliegenden Ashford Standardflügel mit dem zugehörigen Wirtel (altes Modell mit nur zwei Rillen) ausgewählt. Neben der Umsetzung der o.a. Idee habe ich den Flügel zusätzlich so modifiziert, dass er auch die deutlich größeren Spulen für den Ashford-Schiebehakenflügel aufnehmen kann. In diverse handelsüblichen Ashfordspulen habe ich wie beschrieben mehrere Rillen eingestochen, zwei Hochgeschwindigkeitsspulen allerdings zu Vergleichszwecken nur auf einen akzeptablen Rundlauf optimiert und einrillig belassen.
Um das Theoretisch-Konstruktive von dem Praktisch-Handwerklichen zu trennen, habe ich für diesen Umbau einen separaten Thread hier http://www.scforum.spinnradclub.de/view ... 14&t=28074 geöffnet.
Neben dem obigen Foto sollen an dieser Stelle daher nur kurz die Erfahrungen mit dem o.a. System aus der Praxis erwähnt werden:
1)Der Aufwand bei der Herstellung der benötigten Teile und der Ersteinstellung des Rades ist im Vergleich zu einem herkömmlichen zweifädigen Antrieb etwas höher. Das liegt nicht etwa an den zusätzlichen Rillen in der Spule bzw. im Wirtel, sondern viel mehr an den deutlich höheren Anforderungen an Genauigkeit der Bauteile, insbesondere bezüglich des Rundlaufs.
2)Auch wenn ich es eigentlich hätte erahnen müssen, verblüffte mich trotzdem, wie riesig der Einfluss der Antriebsschnur auf die Funktionsfähigkeit ist. Angefangen haben wir mit einer rundgeflochtenen Drachenschnur aus Polyester mit einem Durchmesser von 1,6 mm. Das ging überhaupt nicht gut, die Schnur sprang von den Spulenrillen unkontrolliert ab, und erst bei einer deutlich erhöhten Schnurspannung war das Spinnrad spinnfähig. Erst nach dem Ersatz durch eine 1,4 mm Schnur (ebenfalls rundgeflochtene Drachenschnur und ebenfalls aus PE) kam eine 180°-Wende, und alles funktionierte plötzlich so, wie erhofft. Unglaublich, was zwei Zehntelmillimeter alles bewirken können.
3)Bis zu der Spulengröße „Ashford Standard“ taucht das Phänomen der vollen Spule lt. unseren Erfahrungen subjektiv so gering auf, dass es durch eine nur leicht erhöhte Schnurspannung ausgeglichen werden kann. Mehrere Rillen braucht man bei dieser Spulengröße wohl lediglich als Option für die Wahl von der Übersetzung bzw. vom Einzugsverhältnis. Erst bei der großen Spule (der vom Schiebehakenflügel) wurde ca. bei ca. 60% Füllstand (entspricht etwa dem Zustand auf dem letzten Foto) der Tretwiderstand als bemerkbar erhöht empfunden, ein Gang wurde heruntergeschaltet, und in dieser Einstellung bis zu „voll“ (d.h. in diesem Fall 220 g) durchgesponnen.
4)Das Rad kann man mit verblüffend niedriger Schnurspannung (und dementsprechend leichtgängig) bespinnen. Die richtige Einstellung ist in etwa dann erreicht, wenn die Antriebsschnur beim Antreten zwar noch mit leisem „tsss-tsss“ am Schwungrad durchrutscht, beim gleichmäßigen Weitertreten aber damit aufhört. Falls später bei einer zunehmend voll werdenden Spule wieder dieses „tsss-tsss“ ertönt, ist es ein Zeichen für die Spannungserhöhung. Damit kann man sich jedoch ruhig viel Zeit lassen, denn der Einzug funktioniert subjektiv unverändert noch eine ganze Weile weiter. Wohl nicht zuletzt aufgrund dieser Eigenschaften (das Rad signalisiert mit großem Vorlauf, was es „braucht“), empfindet meine Frau das damit ausgestattete Traveller nach dem Umbau als ausgeprägt gutmütig.
Die Sache mit den unterschiedlichen Rillenprofilen ist sicherlich ein alter Hut. Einen zweifädigen Antrieb mit mehreren gestuften Rillen sowohl am Wirtel als auch an der Spule kenne ich jedoch von keinem Hersteller (was nicht heißen soll, dass es das nicht gibt, ich kenne mich da nicht besonders gut aus), und Erfahrungsberichte mit einem solchen System sind mir ebenfalls unbekannt. Bei uns zu Hause herrscht große Zufriedenheit damit, allerdings kann ich mir nicht sicher sein, ob es sich um einen einmaligen Zufall handelt, oder ob es objektiv eine Weiterentwicklung in eine wünschenswerte Richtung ist. Daher würde ich mich über Eure Meinungen sehr freuen, insbesondere über konstruktive Kritik und auch über eventuelle Verbesserungsvorschläge.
Gruß
Borek
Ein Beitrag von Sigrid Vogt „Physik des Flügelspinnrades“
http://www.handspinn-forum.de/anleitung ... Physik.pdf
Das Ergebnis der Entwicklung bezüglich des zweifädigen Antriebs möchte ich Euch nach ca. einem Jahr praktischer Tests nun vorstellen. Allerdings bin ich mir dessen bewusst, dass ich als Nichtspinner insbesondere mit den spinn-theoretischen Überlegungen ein recht dünnes Eis betrete. Daher bitte ich beim Irrtum oder nur Zweifel an Richtigkeit um eine fachkundige Korrektur. Ich möchte gern etwas dazu lernen. Die Problematik, auf die ich ziele, kann man sich am einfachsten am einfädigen Antrieb mit Spulenbremse veranschaulichen bzw. an seinem Vergleich mit Zweifädig: Mit einer leeren Spule und relativ locker eingestellter Bremse fängt man an zu spinnen. Falls ein Stufen- oder mehrere Austauschwirtel vorhanden sind, kann man auch die passende Übersetzung auswählen bzw. auch während des Spinnens ändern. Im Laufe der Zeit füllt sich die Spule, man zieht die Bremse allmählich immer strammer, ggf. kann man (Stufenwirtel vorausgesetzt) eine oder mehrere Stufen langsamer schalten, um den durch die Bremswirkung erhöhten Tretwiderstand wieder zu kompensieren. Alles sehr einfach und komfortabel, da Änderungen flexibel und ohne Umbau möglich sind. Die Nachteile sollen sein, dass es insgesamt etwas weniger leichtgängig und die Einstellung etwas weniger fein möglich ist als beim zweifädigen Antrieb.
Zweifädig dagegen, hat man die gemeinsame Antriebsspannung zur Verfügung, traditionell in Verbindung mit nur einem bis zwei Übersetzungen auf dem Wirtel. Die Aspekte, die hier berücksichtigt werden sollten, sind allerdings im Vergleich zu Einfädig ein wenig vielfältiger:
1)Auch hier könnte man einen Stufenwirtel einsetzen. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, welche Verhältnisse der Rillendurchmesser (Wirkdurchmesser) der Spule und des Wirtels sinnvoll sind. Lt. Angaben in dem angehängten Dokument von Frau Sigrid Vogt soll der Wirkdurchmesser der Wirtelrille um minimal 12% bis 20% größer sein als der Durchmesser der Spulenrille. Für das Maximum fand ich leider keine Angaben, ich vermute jedoch, dass es das auch geben muss. Mangels eines mir bekannten Fachbegriffs nenne ich es im Weiteren Einzugsverhältnis.
2)Durch den jeweiligen Querschnitt der Rille kann man (konstruktiv, ein für alle Male) vorbestimmen, ob und wie unterschiedlich sich die gemeinsame Antriebsspannung jeweils auf die Spule und den Wirtel auswirkt. Überwiegend wird die Meinung vertreten, dass die Spulenrille einen flachen oder verrundeten Grund haben soll, die Wirtelrille dagegen V-förmig spitz eingestochen sein sollte. Damit wird die Voraussetzung dafür geschaffen, dass während sich die Antriebsschnur in der Wirtelrille an den Flanken abstützt und sich quasi dazwischen verkeilt, kann sie nahezu ungehindert in der Spulenrille durchrutschen. Die vor dem Spinnrad sitzende Person kann also wesentlicher durch das Festhalten der Fasern auf die Eigenschaften des Garns Einfluss nehmen. Wären beide Rillen spitz (diese Philosophie vertritt offensichtlich z.B. Herr Wyatt von http://wyattspinwheels.com/), wäre die Bandbreite des Beeinflussbaren wahrscheinlich deutlich schmäler, allerdings die Gleichmäßigkeit des gesponnenen Garns würde sich theoretisch erhöhen.
3)Auch beim 2F tritt das Phänomen der vollen Spule auf, ausgeglichen wird es über die erhöhte Antriebsspannung. Der Ausgleich des erhöhten Tretwiderstands durch das „Herunterschalten“ ist hier zwangsläufig mit der Änderung des Einzugsverhältnisses verbunden, und (wohl deswegen?) konstruktiv nicht vorgesehen.
Es sei denn, dachte ich mir, man versieht auch die Spule mit mehreren sinnvoll gestuften Rillen und setzt einen Stufenwirtel davor. Im obigen Beispielbild kann die Spulenrille „A“ mit allen Rillen des Wirtels „kommunizieren“. Die einzige antriebstechnische Voraussetzung ist, dass die kleinste Wirtelrille einen mindestens um die besagten 12% bzw. 20% größeren Wirkdurchmesser hat als „A“. Rille „B“ kann in Verbindung mit den Rillen 2 bis 5 am Wirtel genutzt werden, und bei der Rille „C“ stehen nur noch die Rillen 3, 4, und 5 zur Verfügung. Gegenüber einer traditionellen Spule mit nur einer Rille würde sich also die Zahl der Nutzungsmöglichkeiten von 5 auf 12 erhöhen, bei gleichbleibender Zahl von 5 Übersetzungen.
Gleichzeitig gäbe es so die Möglichkeit, dass bei zunehmend voller Spule nicht nur die Übersetzung (und somit der Tretwiderstand) angepasst werden, sondern auch das Einzugsverhältnis etwa gleich bleiben könnte. Oder aber, man könnte gezielt das Einzugsverhältnis variieren (wäre es denn zu etwas gut?).
Aus mehreren Gründen wäre es also sinnvoll sowas versuchen zu bauen, zumal ich die technologischen Möglichkeiten dazu habe.
Für die Form der Spulen- bzw. der Wirtelrille habe ich meine speziell für den Spinnradbau angefertigten Drehwerkzeuge vermessen, und habe mich daher für eine schräg eingestochene Spulenrille in Trapezform mit einem 1,3 mm breiten Rillengrund entschieden. Die Wirtelrille sollte ebenfalls eine Trapezform erhalten, der Rillengrund sollte hier nur 0,6 mm breit sein. Der Flankenwinkel sollte bei beiden Rillen die bereits mehrfach bewährten ca. 28° betragen. Damit sollte einerseits die erforderliche Vorspannung der Antriebsschnur (und somit auch der Tretwiderstand) spürbar reduziert werden, andererseits erhoffte ich mir dadurch für meine Frau mehr Freiheit bei der Garngestaltung durch einen breiteren und feinfühligeren Einstellbereich des Einzugs. Als Versuchsträger für die o.a. Konstruktion habe ich einen seit Jahren herumliegenden Ashford Standardflügel mit dem zugehörigen Wirtel (altes Modell mit nur zwei Rillen) ausgewählt. Neben der Umsetzung der o.a. Idee habe ich den Flügel zusätzlich so modifiziert, dass er auch die deutlich größeren Spulen für den Ashford-Schiebehakenflügel aufnehmen kann. In diverse handelsüblichen Ashfordspulen habe ich wie beschrieben mehrere Rillen eingestochen, zwei Hochgeschwindigkeitsspulen allerdings zu Vergleichszwecken nur auf einen akzeptablen Rundlauf optimiert und einrillig belassen.
Um das Theoretisch-Konstruktive von dem Praktisch-Handwerklichen zu trennen, habe ich für diesen Umbau einen separaten Thread hier http://www.scforum.spinnradclub.de/view ... 14&t=28074 geöffnet.
Neben dem obigen Foto sollen an dieser Stelle daher nur kurz die Erfahrungen mit dem o.a. System aus der Praxis erwähnt werden:
1)Der Aufwand bei der Herstellung der benötigten Teile und der Ersteinstellung des Rades ist im Vergleich zu einem herkömmlichen zweifädigen Antrieb etwas höher. Das liegt nicht etwa an den zusätzlichen Rillen in der Spule bzw. im Wirtel, sondern viel mehr an den deutlich höheren Anforderungen an Genauigkeit der Bauteile, insbesondere bezüglich des Rundlaufs.
2)Auch wenn ich es eigentlich hätte erahnen müssen, verblüffte mich trotzdem, wie riesig der Einfluss der Antriebsschnur auf die Funktionsfähigkeit ist. Angefangen haben wir mit einer rundgeflochtenen Drachenschnur aus Polyester mit einem Durchmesser von 1,6 mm. Das ging überhaupt nicht gut, die Schnur sprang von den Spulenrillen unkontrolliert ab, und erst bei einer deutlich erhöhten Schnurspannung war das Spinnrad spinnfähig. Erst nach dem Ersatz durch eine 1,4 mm Schnur (ebenfalls rundgeflochtene Drachenschnur und ebenfalls aus PE) kam eine 180°-Wende, und alles funktionierte plötzlich so, wie erhofft. Unglaublich, was zwei Zehntelmillimeter alles bewirken können.
3)Bis zu der Spulengröße „Ashford Standard“ taucht das Phänomen der vollen Spule lt. unseren Erfahrungen subjektiv so gering auf, dass es durch eine nur leicht erhöhte Schnurspannung ausgeglichen werden kann. Mehrere Rillen braucht man bei dieser Spulengröße wohl lediglich als Option für die Wahl von der Übersetzung bzw. vom Einzugsverhältnis. Erst bei der großen Spule (der vom Schiebehakenflügel) wurde ca. bei ca. 60% Füllstand (entspricht etwa dem Zustand auf dem letzten Foto) der Tretwiderstand als bemerkbar erhöht empfunden, ein Gang wurde heruntergeschaltet, und in dieser Einstellung bis zu „voll“ (d.h. in diesem Fall 220 g) durchgesponnen.
4)Das Rad kann man mit verblüffend niedriger Schnurspannung (und dementsprechend leichtgängig) bespinnen. Die richtige Einstellung ist in etwa dann erreicht, wenn die Antriebsschnur beim Antreten zwar noch mit leisem „tsss-tsss“ am Schwungrad durchrutscht, beim gleichmäßigen Weitertreten aber damit aufhört. Falls später bei einer zunehmend voll werdenden Spule wieder dieses „tsss-tsss“ ertönt, ist es ein Zeichen für die Spannungserhöhung. Damit kann man sich jedoch ruhig viel Zeit lassen, denn der Einzug funktioniert subjektiv unverändert noch eine ganze Weile weiter. Wohl nicht zuletzt aufgrund dieser Eigenschaften (das Rad signalisiert mit großem Vorlauf, was es „braucht“), empfindet meine Frau das damit ausgestattete Traveller nach dem Umbau als ausgeprägt gutmütig.
Die Sache mit den unterschiedlichen Rillenprofilen ist sicherlich ein alter Hut. Einen zweifädigen Antrieb mit mehreren gestuften Rillen sowohl am Wirtel als auch an der Spule kenne ich jedoch von keinem Hersteller (was nicht heißen soll, dass es das nicht gibt, ich kenne mich da nicht besonders gut aus), und Erfahrungsberichte mit einem solchen System sind mir ebenfalls unbekannt. Bei uns zu Hause herrscht große Zufriedenheit damit, allerdings kann ich mir nicht sicher sein, ob es sich um einen einmaligen Zufall handelt, oder ob es objektiv eine Weiterentwicklung in eine wünschenswerte Richtung ist. Daher würde ich mich über Eure Meinungen sehr freuen, insbesondere über konstruktive Kritik und auch über eventuelle Verbesserungsvorschläge.
Gruß
Borek
Ein Beitrag von Sigrid Vogt „Physik des Flügelspinnrades“
http://www.handspinn-forum.de/anleitung ... Physik.pdf