Richtig reparieren: Leim & Kleber

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wollwolff
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Richtig reparieren: Leim & Kleber

Beitrag von wollwolff » 14.07.2011, 16:19

Hallo liebe Freunde/innen von Spinngerät.

Mittlerweile habe ich manchen alten Beitrag gelesen und erfahren, dass Fragen speziell zum heutigen Thema sind.

Ganz kurz den wichtigsten Unterschied zu Kleben und Leimen, leider meinen viele, das wäre dasselbe. Ist es aber nicht.
KLEBEN ist ein Adhäsiver ( ANHANGSKRAFT) Prozess und LEIMEN ein nahezu kohäsiver ( ZUSAMMENHANGSKRAFT) Prozess.
Kleben kannst Du mit Kreide auf Tafel vergleichen, während Du beim Leimen ins Innere gelangst und ähnlich, wie beim Schweißen,
mit an die atomare Bindung gehst.

Bei guter Oberflächenhaftung bestimmt die Festigkeit des ausgehärteten Klebers die Festigkeit der Klebestelle, höchstens aber in der projektierten Fläche des Klebefilms ( plus/ minus Rauhheitsprofilfaktor).

Bei einer Leimverbindung wirken neben dem reinen Leimfilm noch mechanische Ankerkräfte und Spezifische Verfestigungen des Holzes (vergleiche mit Legierungen).

Kleber sind vielseitig, oft Lösungsmittelhaltig und mit toxischen Komponenten für viele Verbindungen geeignet. Verarbeitung oft nur mit Schutzmaßnahmen empfehlenswert. Kleben ist daher nur ein Randthema bei Spinnradreparaturen.
UHU, Pattex währen für unsere Anwendungen Kleberbeispiele.

DEN LEIM VERSTEHEN!
A.
Was ist Leim?
Leimanwendungen sind schon sehr alt. Früher überwiegend Gelantinen, Knochen- , Fischbeinleime, heute der vielseitige Weißleim in unterschiedlichsten Festigkeitsqualitäten. z.B. ist PONAL ein Weißleimklassiker
B.
Älteste deutschsprachige Erwähnung von Leim etwa um 900 n.Ch. im 2. Magdeburger Zauberspruch, welcher endet:
ben zi bena, bluot zi bluoda, lid zi geliden, sose gelimida sin ( etwa- Bein zu Bein, Blut zu Blut, Glied zu Glied, wie sie geleimt wären).
Könnt Ihr weiter bei Wiki nachlesen.
C.
Inhaltsstoffe:
Weißleim besteht aus einer ungiftigen Dispersion, wo im Wasser PVAc gelöst ist. PVAc ist Polysvinylacetat, ein Thermoplast. Daher kann unbedenklich ohne Handschuhe geleimt werden. Flüssig ist Weißleim weiß, abgebunden klar. Das Werkzeug kann mit Wasser und Aceton
( Holzessig) gereinigt werden. Bestimmte Hölzer verfärben sich durch Reaktionen mit der Gerbsäure des Holzes ( z.B. bei Eiche) in der Leimfuge.
D.
Leimfestigkeit:
Eine gesäuberte Holzbruchstelle ( nur Längsbruch) mit Leim bestrichen und gefügt zusammengepresst, hält nach einigen Stunden Presszeit und das dauerhaft. Es wird nie mehr an einer gut gefügten Leimstelle brechen, nur daneben. Klar wasserfest ist der normale Leim nur
kurzfristig. Nach einer Nacht in der Badewanne geht jede Weißleimnaht auf, aber wer macht das schon?
Grund: die Fügestelle am Bruch ist mit Wellen, damit mit größerer Oberfläche, als die reine Projektion.
E.
Leimausbildung:
Wenn Du den Leim aufpinselst, transportiert das Wasser die PVAc Teilchen in die Ritzen und Kappillare des Holzes tief unter die Oberfläche, alleine durch den Löschpapiereffekt. Besonders gut erhöht ein zusätzliches Aufrauhen oder ein beidseitiges Einstreichen diese Wirkung, weil
parallel noch vor dem Hautausbilden beidseitig PVAc "eingesaugt" wird.
Irgendwann verstopfen die PVAc Teilchen die Kappillare und rutschnen nicht mehr weiter, nur noch reines Wasser dringt noch tiefer und die
nun mit dem PVAc Kunststoff gefüllten Kappillare sind aöls quasi millionen kleiner Fasern tief im Holz erstarrt. Wenn jetzt noch gepresst wird, das kennen wir vom Spinnen, erhöht sich weiter die Dichte und damit die Festigkeit.
F.
"Holzlegierung", gibt es zwar umgangssprachlich nicht, aber hier scheint es mir passig. Was passiert im Holz? Der Leim verfestigt die
spezifische Holzfestigkeit höher.
Etwas ausholen:
Polyvinylacetat ist ein Kunststoff auf acid- Essigbasis, Aceton löst die Leimketten auf (s. Reinigung). Holz ist mehrfacher Zucker ( wissen
die Zellulose Schädlinge zu schätzen) und somit chemisch - Stärke- Essig- Aceton nicht weit entfernt.
Somit verbindet sich unser Weißleimkunststoff mit dem holzeigenem Bindeharz und es entsteht ein Verbindungskunststoff mit höherer Festigkeit und anderer +/- Qualität. Natzürlich beeinflusst überall, Sauberkeit, Sauerstoff, Holzsorte, Fremdstoffe im Holz, Holzfeuchte,
Luftfeuchte ein Verleimung, das währe aber hier zu speziell.
G.
Leim füllt Spalte, die dann auch überlackierbar sind, nur hat dieser Spalt NUR die Festigkeit des getrockneten reinen Leimes ( vergl. Kleben).
H.
PVAc ist ein Thermoplast. Das zu verstehen ist für unsere Anwendungen schon einmal praktisch: 2 angetrocknete Leimflächen ( z.GB. Furnier und Holzkante) mit dem Föhn oder Bügeleisen erwärmt, klebt5 wieder= eine großartige neue Anwendbarkeit. Sauber und später leimbar.
Denkt an Reparaturen! Z.B. ein krummer lamellierter ( aus Furnierstreifen geleimt) Spinnflügel partiell geföhnt in einer geraden Spannvorrichtung wird wieder gerade!

Noch Leimfragen offen? Heute mal kein Bild.

Mit vielen klebrigen Grüßen,
Euer Jürgen

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Re: Richtig reparieren: Leim & Kleber

Beitrag von Eurasierwolle » 14.07.2011, 16:45

DANKE für diesen tollen Beitrag! So viel Chemie so anschaulich beschrieben - jetzt bekomme ich einen ganz neuen Blickwinkel!
Wäre für angehende "Restauratoren" vielleicht noch interessant, wie man fehlerhaft verleimte Teile wieder lösen kann - Beispiel Bausatzspinnrad (z.B. Ashford Traveller oder Traditional), wo schon mal Beine verleimt werden statt nur zu stecken, und später wundern sie sich, wieso die Achse vom Trittbrett so quietscht (Bohrung nicht in Achsenrichtung, Bein leicht verdreht)...

Dankbare Grüße
Cornelia
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Re: Richtig reparieren: Leim & Kleber

Beitrag von thomas_f » 14.07.2011, 18:22

Soweit ich weiß, werden heutzutage Leime als Untergruppe(n) der Klebstoffe angesehen, so dass Leimen demnach auch ein Kleben ist. Es gibt halt verschiedene Definitionen. Nach der DIN sind Leime all jene Klebstoffe, die Wasser als Lösungsmittel benutzen, darunter fiele dann bspw. auch der Tapetenkleister, nicht aber bspw. der PU-"Leim", der auch für Holzverbindungen verwendet wird (Quelle: eigene Erinnerung + Wikipedia).

Was wir klassisch mit "Holzleim" meinen, sind die Weißleime, wie Ponal. Die gibt es in verschiedener Ausführung, auch mehr oder weniger wasserfest, früher die wasserfesten nennt man auch Propellerleim.

Was du unter E beschreibst, wurde ca. 1979 in der Berufsschule noch als "millionenfaches Verdübeln" bezeichnet. ;)

Weißleim als Füllstoff für Fugen und Ritzen ist nicht empfehlenswert, da er beim Trocknen stark schwindet, wenn er überhaupt vernünftig durchtrocknet, nachdem er eine Haut gebildet hat. Diese Eigenschaft ist auch der Grund für das Pressen: je dünner die Leimfuge gepasst und gepresst wird, desto besser kann das Lösungsmittel (=Wasser) ins Holz gesaugt werden. Eine Pfütze vergossenen Weißleims bleibt noch seeeehr lange weich.

Ich habe bisher Eichenholz mit Weißleim ohne irgendwelche Verfärbungen verarbeitet. Das war und ist m.W. so üblich. Dabei darf man keine eisenhaltigen Werkzeuge zum Leimauftrag verwenden.

À propos Verfärbungen: Wenn eine Tube Weißleim den Winter in der Garage verbracht oder sonstwo Frost abbekommen hat, sollte man sie wegschmeißen. Der Leim bindet dann nicht mehr vernünftig ab. Das sieht man daran, dass er beim Trocknen nicht klar wird, sondern weiß bleibt. Er hat dann auch bei weitem nicht die normale Festigkeit. Im Zweifel lieber mit Abfallholz ausprobieren als gleich das Spinnrad verderben :fear:

Ach ja, Cornelia, siehe Jürgens Punkt H: das könnte man mit dem Heißluftföhn versuchen. Und mit viel Geduld, denn das Holz isoliert ganz gut und bei zu starker Hitze verfärbt es sich. Bei kleineren Teilen bietet sich der Backofen an, da kann man die Temperatur besser regeln. Wie heiß man es braucht, damit der Leim plastisch wird, weiß ich aber leider nicht.

Beste Grüße und fröhliches Leimen -- Thomas

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Sidhe
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Re: Richtig reparieren: Leim & Kleber

Beitrag von Sidhe » 14.07.2011, 19:27

Danke für die vielen Ausführungen, nur eine kleine Verbesserung hätte ich:
wollwolff hat geschrieben: B.
Älteste deutschsprachige Erwähnung von Leim etwa um 900 n.Ch. im 2. Magdeburger Zauberspruch, welcher endet:
ben zi bena, bluot zi bluoda, lid zi geliden, sose gelimida sin ( etwa- Bein zu Bein, Blut zu Blut, Glied zu Glied, wie sie geleimt wären).
Könnt Ihr weiter bei Wiki nachlesen.

Mit vielen klebrigen Grüßen,
Euer Jürgen
Es sind die Merseburger Zaubersprüche.
Das wars schon :D (nur falls das wirklich jemande recherchieren möchte ;) )
"Auf leisen Sohlen wandelt die Schönheit, das wahre Glück und das echte Heldentum.
Unbemerkt kommt alles, was Dauer haben wird."

W. Raabe


Sidhe ist jetzt als ErzgebirgsWollkyre bei Etsy und Dawanda. ^^

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Re: Richtig reparieren: Leim & Kleber

Beitrag von wollwolff » 14.07.2011, 20:06

Eine Bitte an alle Fachdamen/ -herren:

Bitte teilt Euer Wissen über ähnliche Themen ( Grundlagen usw.) mit denen, die es gerne lesen möchten, danke.

Verfasst ähnliche Themen zu diesen Grundlagen, damit die " Starter" es nicht soo schwer haben und deren Mißgeschicke
gering bleiben.

Basisthemen wären z.B. Nägel, Dübel, Holzschrauben, Oberflächen, Beschläge, Kugellager, Leder, Rost, Häkchen, Umbau 2-Fädig zu Bremse uvam.. Es gibt so viel Detailinformation, einfach aufzuschlösseln für unser Genre.
Danke und auch ein besonderes Danke für die Hinweise und Ergänzungen. Merseburg und Magdeburg geht natürlich auf mich, im Kopf Merseburg und Magdeburg geschrieben, bin halt nicht mehr im Abialter ;o)

Gruß von Jürgen

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