Eisenzeit

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Eisenzeit

Beitrag von wollwolff » 03.08.2012, 20:02

Hallo Ihr Lieben!

Heute möchte ich über eine Restaurierung einer Rarität berichten.
Es ist ein recht seltenes Bockrad für 2 fädigen Betrieb UND für Bremsbetrieb.

Nach einem wohl pfleglich gelebten Arbeitsleben zeigte das zwar mit Beschädigungen und Fehlteilen präsentierte Rad keinen Holzwurmbefall.
Außergewöhnlich ist der Volleisen - Flügel mit kammartig eingearbeiteten Ösen und einer dem Außenprofil des U-Flügels folgenden Rille, die
brav den Faden führt
eisen2.jpg
. Auch als Besonderheit ist die weite Spreizung der 3 Standbeine zu bewerten, wobei das hintere Bein sehr flach in den Grundbock eingelassen war, was eine schöne bequeme Schrägstellung des Rades bewirkte.
eisen1.jpg
Meine Reparatur befasste sich mit dem Neugründen der 3 Beine mit anschließender Verpfropfung mit Holzkeilen.
eisen3.jpg
eisen4.jpg
Desweiteren mit der Gangbarmachung, Reinigung, Wachsbenetzung ( Bohnerwachs) der 2 Holzspindeltriebe und deren Anlagebunde.
eisen12.jpg


Den Grundkörper pflegte ich mit einer Pflanzenölbasierenden Nussbaumlasur. Nach der Durchtrocknung des Rad-Skeklettes kamen die Fehlteile ran. Die Spinnachse und der Flügel waren zu entrosten und die Lagersitze wurden auspoliert. Das Eisen versiegelte ich mit verdünntem Leinölfirnis, welches nach 3 Tagen eine Art Klarlack tief bis in die Eisenporen bildete.

Wirtel und Spule waren leicht herzustellen, da ich alle umgebenden Teile hatte. Der ehrlichen Darstellung halber, lies ich die ersetzten Teile roh, bzw. in originaler Patina ( leicht absäubern mit Bürste und Stahlwolle waren aber angewendet).
eisen6.jpg
Ich konnte den Tritt und einen Knecht aus meinem Gebrauchtfundus nehmen und hier anpassen. nur das Trittgelenk baute ich nach meinen Vorstellungen neu. Die Belederung war Bobby's Halsband ( Bobby - Schnauzer war 3 Jahre vor Billy- Border bei uns im Altenteil).
Die Zunge stabilisiert die Gelenkbasis gegen Verdrehen beim Treten.
eisen11.jpg
Den Knecht versah ich unten mit einen Lederriemen ( 4x4 mm, auch aus dem Halsband geschnitten). Im Detail habe ich die Befestigung im Tritt mit einer Wechselschlaufe durchgesteckt und die Riemenenden mit 2 Holzkeilen abgesichert. Wechselschlaufe = Tritt mit 2x2 Bohrungen im 2 cm Abstand, Riemen oben rein und im Nachbarloch von unten oben raus, s. Bild. War mein Lösungsansatz!

Das Spulenlager am Spinnmaul hatte eine Doppelgabelform mit 4 hochstehenden " Säulen" . Hier ruhte längs das Spinnmaul und der Riemen bzw. die Schwerkraft hielt es fest. Quer bot sich nun eine Fadenbremse an. Darunter ein Flügelknebel mit Befestigung der Schnurschlaufe, konnte nun als Bremse oder als Arretierung bei 2-Faden-Betrieb dienen. Eine auf die Schnurschlaufe zuvor aufgefädelte Holzperle bildet nun die Endlage.
eisen8.jpg
Als Anregung für eure eigene Reparaturen hier die Dokumentation mit den Details. Weitere Bilder noch im 2. Kurzbeitrag ( folgt).

LG Jürgen
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Re: Eisenzeit

Beitrag von wollwolff » 03.08.2012, 20:05

Hallo Ihr Lieben,

hier noch Bilder zum Thema.
Das fertige Rad.
eisen5a.jpg
Das Knechtdetail.
eisen13.jpg
LG Jürgen
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Re: Eisenzeit

Beitrag von Siebenstern » 03.08.2012, 23:40

Ein Traum :)
Wirklich schön geworden und der Eisenflügel ist echt verblüffend.

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Re: Eisenzeit

Beitrag von spulenhalter » 06.08.2012, 18:08

Siebenstern hat geschrieben:Ein Traum :)
Wirklich schön geworden und der Eisenflügel ist echt verblüffend.
Der Eisenflügel hat einen riesigen Vorteil, er liegt wie ein Flügel im Wind, hat also bei hohen Geschwindigkeiten nur sehr wenig Luftwiderstand, also ein echter high-speed-Flügel.

Ansonsten hatte ich noch keinen, leider - kommt noch, probier ich auch noch aus.
Gruß Mathias

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Re: Eisenzeit

Beitrag von Sabam » 06.08.2012, 18:43

Das ist wunderschön geworden, danke für die tollen Bilder.

Liebe Grüße
Sabine
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Re: Eisenzeit

Beitrag von Kattugla » 06.08.2012, 18:48

Ich habe auch so ein Flachsradschätzchen mit Eisenflügel - ein Rad von 1912 aus dem Schwarzwald, das dazu auch noch eine "freifliegende" Flügelaufhängung hat, das heisst, die Lager für den Flügel sitzen zwischen Spule, Wirtel und hinterem Holm. Ein sog. Picardie-Flügel. Adele hab ich hier schonmal gezeigt. Sie ist allerdings eindeutig für den spulengebremsten Betrieb ausgelegt.

Danke für den Tip mit der Firnis! Wäre ich jetzt so von selber nicht drauf gekommen, werde das aber im Hinterkopf behalten, denn Adele ist zwar wieder spinnfertig, hat aber noch ein wenig Kosmetik nötig. Ob ich ihre ältere Schwester auch nochmal hinbekomme, weiss ich noch nicht, da hakts noch an verschiedenen anderen Stellen.
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