Drehrumbum

Damit alle Handarbeitsgeräte richtig funktionieren ...

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borekd
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Drehrumbum

Beitrag von borekd » 09.12.2015, 12:36

Dass bei uns die Spinngeräte Namen haben, dürfte wohl mittlerweile klar sein. Der obige gehört einer uralten aber (mittlerweile wieder) funktionsfähigen Klopfhaspel (habe auch die wahrscheinlich mehr zutreffende Bezeichnung Zählhaspel bereits gelesen).
PICT0007_gesamt1.jpg
PICT0011_gesamt2.jpg
Das Funktionsprinzip dieser Geräte besteht darin, dass während das Garn auf die Haspelarme aufgewickelt wird, überträgt sich diese Drehbewegung über ein hölzernes mehrstufiges Schnecken- bzw. Stirnradgetriebe auf die Abtriebswelle. Letztere wird mit einem verstellbaren Zeiger versehen, der auf der dahinter angeordneten Skala die Anzahl der Haspelumdrehungen meistens in Hunderten anzeigt. Multipliziert man die Anzeige mit dem Umfang der Haspel, bekommt man die aufgewickelte Lauflänge des Garns.
PICT0008_Zählwerk.jpg
Dieses Getriebe ist aus heutiger Sicht ziemlich eigenwillig. Die Zahnräder werden nach Anriss manuell eingesägt und die Ritzel haben die sog. Triebstockverzahnung (sie bestehen aus wenigen Stiften).
PICT0930_Triebstockritzel.jpg
Zusätzlich haben die meisten solcher Haspeln irgendwo im Getriebe eine Art von Schaltnocken, die in regelmäßigen Abständen andere Elemente (Laschen, Glocken, Wippen, etc.) betätigen, wodurch ein akustisches Signal ertönt. Bei unserer Haspel sind es zwei aus dem unteren Zahnrad hinausragenden Stifte, die eine dünne am Gestell befestigte Holzlasche allmählich anheben (vorspannen), und dann schlagartig freigeben. Die Lasche klatscht gegen das Gestell mit einem (akustisch fürchterlich lauten) Knall.

Diese Funktion bedingt auch die typische Beschädigung, die den meisten gebrauchten Geräten gemeinsam ist: Zahnlücken und dadurch bedingtes Klemmen. Dreht man nämlich in die falsche Richtung, fahren die Schaltnocken „auf Block“, und bedingt durch die recht hohe Übersetzung bemerkt man es erst dann, wenn es bereits zu spät ist.

Auch unser Exemplar hing im Kaufzustand fest, doch der Artikelbeschreibung bei ebay („ein bisschen schwergängig aber voll funktionsfähig“) habe ich sowieso nicht wirklich getraut. Nach dem Zerlegen zeigte sich, dass nicht nur einige Zähne in der 3. Übersetzungsstufe fehlten, sondern auch der zugehörige Triebstockritzel war vollständig zerbrochen. Die Zähne habe ich aus einem Gemisch aus Epoxydharz und Holzstaub bzw. Sägemehl mit etwas Übermaß freihändig angespachtelt und nach dem Aushärten nach Augenmaß soweit beschliffen, dass sie den Nachbarzähnen so gut es ging entsprachen. Der zerstörte Triebstockritzel wurde durch einen Käfig aus drei Stäben und einer Ronde aus Messing ersetzt.

Nach ausgiebigem Einreiben der Verzahnung und der Lagerstellen mit einer Parafinkerze war die Haspel wieder funktionsfähig. Im Laufe der Zeit habe ich die Lasche schwenkbar befestigt und seither ist sie stillgelegt.
PICT0009_Klopfer_stillgelegt.jpg
Später, als der fest eingeleimte hölzerne Kurbelbolzen brach, habe ich ihn durch eine zerlegbare Version aus Messing und Edelstahl ersetzt. Jetzt kann man für das Abwickeln des Garns die Griffstange von der Kurbel wegnehmen, sodass sie nicht mehr herumbaumeln und gegen das Gestell schlagen kann.
PICT0010_Kurbel+Verlängerung.jpg
Insgesamt habe ich die Reparaturen als ziemlich unspektakulär, schnell und für jedermann/frau durchführbar in Erinnerung.

Die Haspel wird von meiner Frau häufig und gern benutzt, meistens in Verbindung mit Lottchen.

Gruß
Borek
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Re: Drehrumbum

Beitrag von Fiall » 09.12.2015, 13:13

Wunderschönes Teil und deine Idee für die Zahnradreparatur ist genial!
GLG,

Veronika

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Re: Drehrumbum

Beitrag von Tulipan » 09.12.2015, 15:57

Schönes und vor allem praktisches Teil. Bei meinen Platzverhältnissen würde sowas leider den Namen "Drehimweg" erhalten.
Laut Kurt Hentschel geben solche Haspeln in der Regeln alle 70 Umdrehungen ein Signal und das entspricht dann 100m. Nach jedem Signal wird abgebunden, so dass man nachher am Strang ganz einfach die Länge ablesen kann.

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Re: Drehrumbum

Beitrag von Lottischaf » 09.12.2015, 19:41

Die sieht super hübsch aus.
Toll
:)
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Re: Drehrumbum

Beitrag von Lottischaf » 09.12.2015, 19:41

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Re: Drehrumbum

Beitrag von Lottischaf » 09.12.2015, 19:41

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Re: Drehrumbum

Beitrag von spulenhalter » 09.12.2015, 20:59

Wunderschön geworden.

Ich habe auch noch eine Haspel zu liegen - mal sehen, wann ich dazu komme, diese zu restaurieren.
Gruß Mathias

---------------------------------------------------
Unmögliches erledigen wir sofort. Wunder, die dauern etwas länger

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Re: Drehrumbum

Beitrag von borekd » 10.12.2015, 07:50

Tulipan hat geschrieben:...Laut Kurt Hentschel geben solche Haspeln in der Regeln alle 70 Umdrehungen ein Signal und das entspricht dann 100m. Nach jedem Signal wird abgebunden, so dass man nachher am Strang ganz einfach die Länge ablesen kann.
Interessant.

Demnach müsste die Gesamtübersetzung in dem Getriebe mindestens 1:70 sein, bei unserem Gerät sogar 1:140 wegen der zwei Schaltnocken auf der Abtriebswelle. Ich muss die Zähne bei Gelegenheit auszählen und die Übersetzung ausrechnen.

Auffällig ist allerdings, dass die Skala bei uns eine 7-er Teilung hat.

Unsere Haspel hat einen Umfang von 1,75 Meter. Bei 70 Umdrehungen beträgt somit die entsprechende Länge 122,5, also rund 120 Meter. Ich möchte Deine Aussage (bzw. die von Kurt Hentschel) keinesfalls anzweifeln, aber gibt es dafür eine Erklärung? Vielleicht eine andere Maßeinheit, etwa Yard, Elle o.Ä.?

Gruß
Borek

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Re: Drehrumbum

Beitrag von nadelundfaden » 10.12.2015, 16:37

Danke für die interessanten Bilder. Ich hätte mir das nicht zugetraut.

LG Ate

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Re: Drehrumbum

Beitrag von geraeuschemacher » 10.12.2015, 20:41

Also im Schwäbischen hat man wohl so gezählt:
http://www.langenau.de/de/10_kultur/10. ... haspel.php
In anderen Regionen wiederum anders:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von ... lma.C3.9Fe
Auch nicht uninteressant (vor allem, dass zumindest hier linksrum gedreht werden muss!):
http://schlänger-geschichte.de/spinnrae ... ohlstaedt/
Der letzte Link funktioniert nur, wenn man ihn komplett kopiert, weil das "ä" hier im Forum nicht akzeptiert wird.


Lieben Gruß an alle anderen "alten Knacker"! ;- )
"Spiders can become a passion that can not stop you"
__________________(unbekanntes Übersetzungsprogramm)
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Re: Drehrumbum

Beitrag von borekd » 11.12.2015, 08:20

Vielen Dank geraeuschemacher, interessante Infos.

Zitat (aus dem 1. Link von Langenau):
Der [Ton] nach 100 Umdrehungen war ein „Rick“ von 500 ein „Mäusle“ und von 1000 ein „Schneller“. Das entsprach einer Länge von 1230 Metern.

Das entspricht ziemlich genau unserer Haspel, bei ihr wären es 1225 Meter bei 1000 Umdrehungen, das kann man als identisch sehen.
Der Widerspruch zu den Angaben aus dem Hentschel-Buch erklärt sich wohl durch die regionalen Unterschiede. Rätsel (wahrscheinlich) gelöst.

Gruß
Borek

Edit: Auch unsere Haspel muss linksherum (gegen den Uhrzeigersinn) gedreht werden.

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Re: Drehrumbum

Beitrag von Fiall » 11.12.2015, 08:33

Ihr habt mich mit der Diskussion dazu angeregt, mal meine Wollwolfhaspel zu prüfen. Bisher hab ich einfach gehaspelt, geschaut, was mein Zähler mir sagt und dann mit dem Umfang multipliziert... und mich dann immer gewundert, dass mein Garn viel kürzer ist, als gedacht.

Jetzt hab ich mal leer getestet und festgestellt, dass ich zwei Umdrehungen brauche, bevor der Zähler ne Ziffer weiterwandert.

Meine moderne Haspel wird übrigens auch linksrum gedreht. Rechtsrum fang ich bei 999 an. :)
GLG,

Veronika

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Re: Drehrumbum

Beitrag von Arachnida » 11.12.2015, 09:04

@geraeuschemacher Danke für die Links, das ist hochinteressant, vor allem der letzte!

Ich hab ja auch diesen Sommer mit meinem Drechsler (eigentlich hauptsächlich er ... :O ) eine Klopfhaspel restauriert. Bilder möchte ich dieses Wochenende machen. Die Zähne habe ich noch nicht gezählt. Ich weiss jetzt nicht mehr genau wieviel Umfang das Original war aber unser Neubau hat 2,10 Meter. Die Haspel klopft alle 90 Umdrehungen, macht also in Summe 189 Meter pro einem Klopfer. Wobei ich dann eher mit 2 Meter rechnen werde und die paar Meter "Überlauf" als Zugabe sehe. Auch hier muss man links herum drehen. Die Haspel hat auch ein Zählwerk wobei ich da noch nicht ganz durchsteige. Ich werde vielleicht noch gegenüber des Zählnippels (ich nenne es einfach mal so) einen zweiten, abnehmbaren einsetzen, für kleinere Mengen.
Mein neuer alter Blog: http://halessa.blogspot.com

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Re: Drehrumbum

Beitrag von wollwolff » 11.12.2015, 15:08

Hallo liebe Längenzähler!

Bitte bei aller Begeisterung für genaue Garnlängen. Es birgt sich im ganzen Haspelwesen immer der gleiche Fehler:
Runden zählen = f( Lauflänge + Toleranz)

Das geht nicht auf, da erste Runde auf leerer Haspel z:b. 550mm wickelt, letzte Runde bei voller Haspel z.B. 660mm wickelt.

Genauer wird es bei U-Zählwerken, wenn im Startbereich 10m durchlaufen und die Zahl festgehalten wird, im Endbereich 10m durchlaufen und die Zahl festgehalten wird. Beide Werte geben nun im Mittel eine genaueren Wert an, jedoch eine Toleranz ist immer noch da, weil der Factor Zugspannung und Garndicke einwirkt.

Richtig genau wird es nur mit Durchlaufmessungen. Die Textilindustrie nutzt(e) sog. Garntachos mit 2 Rollen, wobei das Garn
S-förmig durchläft. Hier stimmt der Wert mit geringer Toleranz aus Zugspannung und Schlupf.

Zählende Grüße von Jürgen ^..^

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Re: Drehrumbum

Beitrag von Fiall » 11.12.2015, 18:26

Mir reicht der ungefähre Wert. Ist ja dann in jedem Fall mehr, als berechnet. Aber man grübelt nicht mehr: Reicht meine Wolle jetzt?
GLG,

Veronika

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