Neue Lager für Ziege

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wollwolff
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Neue Lager für Ziege

Beitrag von wollwolff » 16.08.2015, 20:07

Hallo Ihr Lieben,

eine zu reparierende "Ziege" mit 600mm Schwungrad zeigte deutliche Verschleißmarken. Weniger durch Wurmbefall, als durch Abtragung.

Heute das Thema:
Neulagerung des Rades

Das Schwungrad ist noch sehr solide und filigran mit 12 Speichen gebaut. Alles noch schön fest verleimt und der Achsvierkant sass gut fest in
der Nabe.
lgrep1.jpg
A
Da eine Kugellagerung bevorstehen soll, trennte ich mit einem beherztem Sägeschnitt erst einmal die Kurbel ab.
B
Der Torso der Achse war ausgewaschen mit tonnigen Marken> kein Ideal von 6 oder 5mm Durchmesser, eher 6,77 & 5,82mm. Ergo stand fest,
dass auf der Kurbelseite das 6mm Rikula ( = Rillenkugellager) und auf der Gegenseite das 5mm Lager zum Einsatz kommt.
lgrep2.jpg
C
Somit drehte ich die beiden Enden entspechend vorsichtig nach auf 6 und 5mm
D
Nun galt es ersteinmal die Säulen zu begutachten> es sind offen geschlitzte Säulen, deren Auflage mit Blech-Nagel-Mulden in Eisen und Messing
schichtweise übereinander ausgefüttert waren. Diesen "Schmott" holte ich erst einmal heraus und reinigte die Holzwandungen.
E
Ausgemessen war ein unrunder Grund mit ca. 14 mm Weite in U- Form. Ein Rundstab eingelegt, zeigte eine noch erstaunliche Parallellität
zum Basisbrett an beiden Säulen.
F
Jetzt fräste ich auf D = 15mm den Lagersitz nach und drehte 2 runde Lagergehäuse mit 15 mm Durchmesser mit 27mm Länge. Je 1x für ein 5 mm
Rikula. 1x für 6 mm Rikulasitz mit 11 bzw. 13mm Absatzbohrung.
lgrep3.jpg
G
Die Montage des Rades erfolgt mit wieder eingetriebenem Vierkant der Achse von oben> nicht vergessen: Kubelseite = 6mm!
lgrep4.jpg
H
Die Rikulas sind bereits in dem runden Lagergehäuse eingeklebt ( Loctite) und werden nun seitlich gegen die zur Nabe weisenden Anlaufscheiben
eingeschoben.
lgrep5.jpg
lgrep6.jpg
I
Fixieren werde ich - wenn die Radfreiheit unten es zulässt - mit 2 anbohrten und gewindegeschnittenen M5 Schrauben.
Wenn das Rad aufliegt, werde ich das Lagergehäuse noch unterfüttern.

Nach Montagefortschritt berichte ich weiter. Bis jetzt sieht's ganz gut aus.

LG von Jürgen
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Re: Neue Lager für Ziege

Beitrag von nadelundfaden » 17.08.2015, 15:52

Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

LG Ate

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Re: Neue Lager für Ziege

Beitrag von wollwolff » 17.08.2015, 18:11

Hallo Ihr Lieben!

So, montiert ist das Rad und es sitzt von alleine schon ganz gut. Ich habe eine Lösung zum Axialfixieren gefunden> einfach mit einer gefälligen
Schlossschraube und einer Ziermutter ( Holzkugel mit Gewinde o.ä.) die Stelle der Blatt-Bolzen ( = die Sperrstifte gegen das Ausheben) nutzen
und den Schlitz zusammenziehen.

Ich mußte die Axialsicherung einsetzen, da die Nabe seitlich recht eng an den Säulen schubberte.

Hält prima. Später zeige ich noch dazu Bilder wenn es fertig ist.


Nun zum Tretwerk


Das sieht recht traurig aus. Das Hackentreiben über die Jahrzehnte hat das Holz ausgewaschen und die Bolzen wurden schon hochgesetzt, da der Tritt auf den Boden aufsetzte.
lgrep12.jpg
Zum Hauptthema (Lager für Ziege), hier my way:

A
Mit einer selbstgebauten Bohrstange kann ich fluchtgenau von 6 zu 13 die Lagersitze in den Schmott bohren. Beide Enden des Spezialbohrers
werden durch die Altbohrungen der Beine geführt.
lgrep7.jpg
lgrep8.jpg
lgrep9.jpg
B
Die Bohrstange hat einen Bohrkopf, einfach auf D13 abgedreht, kopfseitig 180° eingesägt und schräg mit einer Feile die 2 Schneidkeile eingefeilt.
Bohrt zwar nicht superschnell, aber mit 3 bis 4 Anbohrvorgängen mit Zwischenreinigung von Spänen kommt man auf genügend Tiefe für
die Rikulas bei den extrem schrägen Einbohrungen des Trittes.
C
Nun die gebohrten Sitze mit Weißleim einstreichen und gut abtrocknen lassen.
D
In diese Taschen setze ich nun- geführt durch die 6 mm Welle- in die Beine die Rikulas ein. !! Erst wenn der Weissleim hornartig ist !!
lgrep10.jpg
lgrep11.jpg
E
Die Altzapfen sind sehr ausgewaschen und krumm, vermutlich werde ich diese entfernen müssen, sie sitzen mit einem Vierkant verdrehfest
im Holz. In der Flucht der Altzapfen säge ich dann von unten längs eine 6mm Nut ein, die ein stabiles Bett für die Wippachse sein wird.
lgrep13.jpg
Davon aber nach Baufortschritt mehr, auch wie ich das Wippholz mit dessen ausgewaschener Auflage ersetze.

Schönen Abend noch
und LG von Jürgen ( der nun Opa von Timo ist) v..v
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Re: Neue Lager für Ziege

Beitrag von Spinnliesel » 17.08.2015, 18:23

Herzlichen Glückwunsch zum Enkel!!!!!!!! Ich hoffe, Du hast trotzdem noch ein bisschen Zeit für uns und Deine Hobbys!

Ganz liebe Grüße

Ulrike
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Re: Neue Lager für Ziege

Beitrag von wollwolff » 20.08.2015, 20:20

Hallo Ihr Lieben!

Weiter gehts: Tritt- Knecht - Gelenke und Kurbel
A
Der Trittstab ist nun mit einer Längsnut von unten von 6mm Breite über die Mitte hinaus tief gesägt worden. Auch der ausgewaschene Tritt
wurde nach dem Altmuster nachgefertigt in 8 mm Dicke.
lgrep18.jpg
lgrep17.jpg
B
In die geschaffenen Trittlager der Beine setze ich eine 6mm Achse aus Messing ein. Messing, da ich das Holzteil mit Sperrstückchen eingeleimt
auf der Achse fixiere.
lgrep19.jpg
lgrep20.jpg
C
hinten bekommt der alte Zugstab ein Winkelkugelgelenk in bereits beschriebener Weise und oben kappte ich das faule Holz beherzt und setzte ein Augengelenk ein.
lgrep16.jpg
D
Die Krux am Radlagerzapfen ist der rel. kleine Durchmesser von 6mm als Antriebszapfen. Da ich den Schwunghebel hier wegen der Kugellager
absägen mußte, kommt nur eine Made M5 mit flacher Spitze als Mitnehmer infrage. Dafür drehte ich noch aus einem Alu mit 20x20mm den
Kurbelhebel heraus, indem die Nabe dann mit dem Hebel aus einem Stück ist.
Damit die Made mit flacher Spitze trotzdem gut mitnimmt, feilte ich eine Druckfläche ca. 4x5mm an den Zapfen. Das hält.
lgrep14.jpg
lgrep15.jpg
So den Rundtritt - Probelauf hat alles bestanden. Es läuft sehr sauber. Stört Euch nicht an den unterschiedlichen Holzfarben und Metallblitzen.
Das Rad ist sehr gut in der Substanz, völlig wurmfrei und aus einem Obstholz ( Birne oder Kirsche) gefertigt.
Es wird nach mechanischer Fertigstellung noch chick lackiert in einem ganz besonderem Design.
Darüber aber später unter einem neuen speziellem Thema.

Weiter werde ich nach Fortschritt noch über den Spinnkopf und dessen Überholung schreiben und Euch auch das Anspinnen berichten.

LG von Jürgen v..v
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Re: Neue Lager für Ziege

Beitrag von borekd » 21.08.2015, 08:25

Hallo Jürgen,

wie immer eine schöne Arbeit.

Kannst Du bitte etwas detaillierter das Austreiben der Achse aus dem Schwungrad beschreiben? War sie "nur" eingeschlagen oder zusätzlich noch anders gesichert (z.B. eingeklebt)? Davor habe ich mich bisher (mit der Ausnahme von einem Ashford-Schwungrad, aber das ist ein ganz anderes Thema) gedrückt, weil ich mir das als einen Kraftakt vorstellte, bei dem auch einiges schief gehen kann.

Gruß
Borek

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Re: Neue Lager für Ziege

Beitrag von wollwolff » 21.08.2015, 08:34

Hallo Borek!

das Austreiben ging wie folgt:

Der Vierkant war nur ohne Quersicherung eingepresst. Da ich die Stahlachse eh nachdrehen mußte, lockert ich die Achse mit einigen axialen
Schlägen mit einem Schonhammer unter Verwendung einer gebohrten Holzunterlage als Gegenlager.

Als sie sich lockerte, drückte ich mit einer Beilage und 2 Schraubzwingen sie ganz heraus. Wichtig ist die Markierung der Altlage ( Edding oder Körner)
Da es freigeschmiedetete Stahlteile sind, passen sie nur 1x beim Wiedereinbau.

LG von Jürgen v..v

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Re: Neue Lager für Ziege

Beitrag von Spinnliesel » 21.08.2015, 13:10

Also ich schreib jetzt mal, wie ich das verstehe: Bahnhof, Bahnhof, Bahnhof, Bahnhof............ und immer so weiter........

Das stellt man sich alles definitiv viel einfacher vor als es zu sein scheint. Allein schon die Sprache! Handwerkerlatein, oder wie nennt man das?
Und dann stehen da noch Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten dahinter.
Und außerdem braucht man so viel Werkzeug, Hirnschmalz, Feingefühl und Muskulatur!

Meine Hochachtung!

Ulrike
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Re: Neue Lager für Ziege

Beitrag von wollwolff » 22.08.2015, 13:35

Hallo Ihr lieben,

meine Handarbeit am Spinnrad ist kein Teufelswerk mit Geheimnissen. Man wächst mit den Aufgaben. Auch Ihr könnt das, wenn Ihr Euch nur dabeimacht. Selbst wenn es nicht gleich so perfekt ist, IHR habt aber was geschafft. Einfach ins Spinnrad reindenken. Spinnräder sind allesamt gutmütige Geschöpfe, die kleine Fehler verzeihen.
Selbst wenn.... :o(... eintritt, es ist keine vergessene Radmutter am Auto.

Also frisch gewagt und recht vielen Dank für die schönen "Blumen" an mich.

LG von Jürgen

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Re: Neue Lager für Ziege

Beitrag von wollwolff » 22.08.2015, 13:40

Hallo Ihr lieben,

hier möchte ich Euch noch das Abschlussbild der technischen Überholung des Großspinnrades " Ziege" senden.


Es ist angesponnen!
lgrep21.jpg

LG von Jürgen, der mit seinem PC beide Ohren nicht mehr hochkriegt ( Taste unter ESC, ^..v , nur noch v..v)
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Re: Neue Lager für Ziege

Beitrag von Chingwa2003 » 25.08.2015, 11:04

wow tolle Arbeit und eine bewunderswerte Geduld!!!!

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