Ersatzgeflügel

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Ersatzgeflügel

Beitrag von wollwolff » 13.01.2015, 19:29

Hallo Ihr Lieben!

Das Moswolt-Thema Flügel mit zusammenziehender Geometrie ist schon aufgegriffen worden und auch wie mit Wärme, Leim und Spannen dieser reaktiviert werden kann.
Nun möchte ich einen Ersatzflügel (wiederholt, ;o) shorty) aus Massivholz mit Schiebeflügel bauen und Euch die Schritte dokumentieren.

Könnt Ihr gerne auch selber ran, achtet aber bitte auf meine Sicherheitkommentare, danke.

A
Aufmassnahme oder Altmuster ist unbedingt erforderlich, auch ein permanenter Abgleich mit den Spulendurchmessern und dem Achsenfreimaß zum Bock.
Mosfl1.jpg
B
Ist alles schön aufgezeichnet, sägte ich als erstes die ausgesuchten Rohbrettchen aus. Zum Sparen lege ich je 2 Teilen verschachtelt auf.
mosfl2.jpg
C
Arme:
Mit der Tischkreissäge schlitze ich am Längsanschlag die Grundgeometrie und bilde die parallelen Leistenmaße. Nach Anriss der Radien (R15) säge ich auf der Bandsäge
ebenfalls an einem Längsanschlag bis zum Radienbeginn das Parallelmass zuende- an allen 4 Flügelarmen. Danach trennt ein Querschnitt die Restverbindung, grob vor dem
Radius. Danach erfolgt die Kontur R15 langsam und im Kurvenschnitt entlag des Bogenstriches.
mosfl3.jpg
Nun nur noch mit Feile und Sandpapier die Übergänge glätten und der Flügelarm ist verleimfertig.
D
Flügeldrehbasis
D1
Hier arbeite ich nun die 4 Ausnehmungen für die Arme mit der Kreissäge aus, zuerst hochkant, so dass gleiche Tiefe = 27mm und Abstand zur Seite = 8mm exakt
entsteht.
SICHERHEITSHINWEIS
Bitte beachten, dass die Fotos an stehender Maschine nur zur besseren Info gestellt wurden. NIE SO SÄGEN!
Real habe ich das Brettchen mit einem massigen Buchenklotz aufrecht gestützt und mit entsprechendem Fingerabstand geführt.
mosfl5.jpg
mosfl7.jpg
D2
Querschnitt, um die Ausnehmung 27x8mm zu erhalten: Hier mit 8mm herausragendem Sägeblatt das Basisbrettchen mit Queranschlag führen ( am Queranschlag-Reiter
anlegen oder am Längsanschlag mit Vorklotz** Massanlegen und frei sägen).
*** Vorklotz ist ein vor dem Sägeblatt angelegter Anschlag, der beim Sägen weggenommen wird, so dass keine Reibkräfte das Werkstück/ dessen Rest
verkanten lassen.
mosfl8.jpg
SICHERHEITSHINWEIS
Bitte denkt an die Abfallklötzchen, die nach dem Sägen lose sind und entgegenspringen würden. Mit einfachem NICHT - GANZ- DURCHSÄGEN ist diese Situation zu
meistern. Die Trennung kann leicht manuell mit einer Feinsäge an der Werkbank erfolgen.
mosfl9.jpg
E
Nach dem Putzen der Ausschnitte wird ein Flügelarm exakt mit Weissleim eingesetzt und mit Klammer gepresst. Gleich darauf noch den Winkel anlegen und evtl. korrigieren.
Die restlichen Arme nach und nach mit 30 Minuten Leimpause in gleicher Weise anbauen.
mosfl10.jpg
Morgen gehts weiter!

LG von Jürgen ^..^
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Re: Ersatzgeflügel

Beitrag von borekd » 14.01.2015, 08:36

Hallo Jürgen,
vielen Dank für die (Teil-)Anleitung. Als Metaller, der gelegentlich auch Holz verarbeitet, fand ich den Tipp mit
NICHT - GANZ- DURCHSÄGEN
wertvoll. Trotz Schutzbrille sind kleine Holzklötzchen, wenn sie denn z.B. die Wange treffen, zumindest unangenehm (eigene schmerzhafte Erfahrung). Und natürlich auch die anderen Sicherheitshinweise sollten tunlichst ernst genommen werden.

Warum sägst Du die Eckverstärkungen zusammen mit den Flügelarmen als ein Teil aus? Wäre es nicht sinnvoller (Materialverbrauch, Faserverlauf), wenn man sie als ein extra Teil in die Ecken einkleben und bei Bedarf verrunden würde?

Gruß
Borek

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Re: Ersatzgeflügel

Beitrag von shorty » 14.01.2015, 08:51

oh schön zu sehen :-)))
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Re: Ersatzgeflügel

Beitrag von wollwolff » 14.01.2015, 10:23

An Borek und andere....Abstützung

Die Eckenradien sollten m.E. schon direkt am Flügel "gewachsen" sein, denn jede Anleimung ist nicht organisch harmonisch. Zwar mag die Haltekraft des Leimes ausreichen,
aber ich gebe halt meiner vorgestellten Bauart den Vorrang.
Solch Riesenflügel hat "Aufbäumkräfte" bei entsprechender Drehzahl durch die Fliehkraft und da funzt die Auslinkung als ideale Verbindung, zumal ich noch
je 2St. 4mm Buchedübel durchstecke.

LG von Jürgen ^..^

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Re: Ersatzgeflügel

Beitrag von borekd » 15.01.2015, 07:51

wollwolff hat geschrieben:... jede Anleimung ist nicht organisch harmonisch. ...
Ach... das hat man mir etwas anders beigebracht. Eine Klebeverbindung sollte demnach von der Stabilität her mindestens genauso haltbar sein wie das Basisgefüge oder eher stabiler. Aber das gilt wohl sicherlich nicht für jedes Material und jeden Klebstoff, ich kenne das aus Bereichen, wo fast ausschliesslich mit Epoxydharz gearbeitet wird (Bootsbau, Modellbau). Weißleim (der durchaus seine Vorzüge hat) ist eine andere Welt.
wollwolff hat geschrieben:... ich gebe halt meiner vorgestellten Bauart den Vorrang... zumal ich noch
je 2St. 4mm Buchedübel durchstecke....
Kenne ich aus eigener Praxis auch, es ist die sog. "Handwerkerhandschrift", das mag ich ausgesprochen gern. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung Deines Projekts.

Gruß
Borek

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Re: Ersatzgeflügel

Beitrag von epsilontik » 15.01.2015, 11:18

Ach, was für ein interessanter Thread. Ich kann förmlich den Schleifstaub riechen und die Säge sirren hören!

Bin allerdings über Jürgens Sicherheitshinweise etwas erstaunt. Nicht, dass sie nicht richtig wären. Hochlobenswert und unbedingt wichtig und richtig. Aber darf man nicht annehmen, dass jemand, der über einen solch fulminanten Werkzeugpark verfügt, auch ein paar Maschinenkurse und die damit verbundenen Sicherheitsvorkehrungen absolviert hat? Alle anderen sollten ohnehin die Finger bei sich behalten - buchstäblich - und die Ausführung den Fachleuten überlassen.

Alternativ kann man immer auch eine Handsäge, ein scharfes (!) Stecheisen und eine Feile benutzen. Da ist das Verletzungsrisiko signifikant kleiner, die Arbeitsgeschwindigkeit langsamer und die Schnittgenauigkeit nicht notwendigerweise schlechter.

Klar, wenn ich Flügel in Serie produzieren müßte, dann verbietet sich die Handarbeit. Aber für ein Einzelstück finde ich das durchaus machbar. Die notwendigen Werkzeuge hat man vielleicht ohnehin und die Vorgehensweise ist ja dieselbe.

Freue mich sehr auf die weiteren Ausführungen.
epsilontiks blog

Wenn bereits der Ansatz falsch ist, so führt strenge Logik unweigerlich zum falschen Ergebnis. Nur Unlogik gibt Dir jetzt noch die Chance, wenigstens zufällig richtig zu liegen.

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Re: Ersatzgeflügel

Beitrag von shorty » 15.01.2015, 11:23

Maschinenkurse.. weiss nicht, auch hier gibts Kreissäge, Stichsäge, Ständerbohrmaschine Drehbank usw.. Kurse hat da keiner besucht... ich finds gut das Jürgen das schreibt...
und den meisten Schreinern fehlt ein Finger mindestnes trotz Ausbildung ;-) wissen tuns die meisten, nur halten dran... ;-)
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Re: Ersatzgeflügel

Beitrag von Hexenwolle » 15.01.2015, 12:09

Es gibt mehr selbsternannte Handwerker als man denkt :D (ich auch !) Deshalb finde ich es sehr wichtig, dass immer wieder zur Vorsicht gemahnt wird weil den Heimwerkern die Routine (insbesondere die Sicherheit) fehlt. Es ist leicht, sich das fertige Stück oder Gewerkel vorzustellen, aber die Gefährlichkeit einer laufenden Kreissäge wird gerne unterschätzt. Und jemand, der Anleitungen für Werkstücke gibt, muss sich doch auch vor Folgen absichern.
Liebe Grüße aus Düsseldorf

Ich kann alles, was ich will. Was ich nicht kann, das will ich nicht!

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Re: Ersatzgeflügel

Beitrag von wollwolff » 15.01.2015, 19:51

Hallo Ihr Lieben,

jetzt gehts weiter! Danke an die Beachter der Sicherheitshinweise. Leider treffe ich in Schulen immer wieder auf gottvertrauende Kreissägebediener, welche ich auch ungefragt sofort anspreche und die richtige Hantierung zeige. Nach über 40-jähriger Präzisionsarbeit an der Kreissäge meine ich, im Thema zu sein.
Übrigens gebe ich auch Anwenderkurse in den Schulen an deren KS,BS usw..
Wer von Euch tiefer hier einsteigen möchte, den lade ich herzlich ein, hier mal ein individuelles Kreissäge- Projekt mit mir zusammen durchzuziehen.

Flügelfertigstellung:
A
Nun sind alle Teile verleimt, auch der Brückenstab am Ende ist eingesetzt. In dieser Stellung sperre ich noch mit 4mm Buchdübeln die Knieübergänge. Wichtig ist hier,
vorher ein Probedurchstecken mit dem 4er Bohrer an einem Restteil auszuprobieren, damit das Holz nicht aufreist. Bucherundstangen werden gefräst und sind nie
Kreisrund, sondern eher oval. Ich habe dann einen 4,1-mm Bohrer genommen, das flutschte.
Die Dübel ca 5 mm länger lassen und eine Spitze gut fasen. Damit voran in die mit einem Leimtropfen gefluteten 4mm Bohrung- ins Freie austreten lassen- eindrücken.
Die Fase schiebt dann den " Leimring" vor sich her und benetzt so die gesamte Bohrung.
Nach Trocknung habe ich mit ultrascharfem Beitel mit nur Handballenkraft abgestochen = von links eingekerbt, von rechts abgestochen.
mosfl11.jpg
mosfl12.jpg
B
Nun wird der Flügelkörper erst manuell von evtl. Leimnasen befreit und dann schön geometrisch am Bandschleifer gegen 90° Anschläge - oszillierend damit nichts
verbrennt- erst planflächig, dann Kopf, dann aussen geglättet.
C
Mit einem Radienfräser breche ich umrum alle Kanten und schwabbel anschließend noch die Übergänge optisch nach.
D
Mit Hartwachs-Öl pinsele ich dünn den ersten Grund auf das Holz. Übernacht schleife ich mit 320er Papier die feinen Häärchen glatt und streiche nochmals mit
Hartwachsöl alles ein.
Nun ist der Flügel fertig. Für den Einbau auf den Spinnachskopf erwarte ich noch den Originalspinnkopf. Hier den Flügel habe ich nur vorgebohrt.
mosfl13.jpg
E
Hier baute ich die Schiebehaken in Ganzmetall-Bauart ein, aus Messing und Stahlgewinde in M4. Die Funktion ist selbsterklärend, der 2. Schieber dient nur dem
Gewichtsausgleich. Einen evtl. Anlenkhaken kann sich der Flügelnutzer dann selbst eindrehen.
Die Reiter können von oben eingehakt und mit dem Rädchen gleich geklemmt werden. Die Mutter braucht nie ganz abgedreht zu werden.
Die Wahl auf diese Messingbauweise hin, trugen die Platzverhältnisse in und um die Spule bei.
mosfl15.jpg
mosfl17.jpg
mosfl18.jpg
mosfl19.jpg
mosfl20.jpg
So ist nun der neue Spinnflügel für das Moswolt- Rad fertig. Er ist genau so stabil, wie der Lamellenholzflügel, nur wesentlich leichter.

Ich hoffe, es war interessant für Euch,

LG Euer Jürgen ^..^
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Re: Ersatzgeflügel

Beitrag von spulenhalter » 18.01.2015, 11:12

Sehr schön geworden.

Der Wollehaken, die ausgedrehte Messingmutter, gefällt mir besonders, eine schöne und praktische Lösung.
Gruß Mathias

---------------------------------------------------
Unmögliches erledigen wir sofort. Wunder, die dauern etwas länger

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Re: Ersatzgeflügel

Beitrag von borekd » 19.01.2015, 08:35

spulenhalter hat geschrieben:Sehr schön geworden.

Der Wollehaken, die ausgedrehte Messingmutter, gefällt mir besonders, eine schöne und praktische Lösung.
Das möchte ich gern mit unterschreiben, eine tolle Lösung.

Allerdings ist bei dieser Schiebehaken-Konstruktion m.M.n. der Schlitz im Flügelarm nicht erforderlich. Vermutlich war ursprünglich etwas anderes vorgesehen, und dann kam die vorgestellte Idee (?).

Gruß
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Re: Ersatzgeflügel

Beitrag von shorty » 19.01.2015, 08:51

Ui Klasse Jürgne...
ich denke der Schlitz dient unter anderem zur Gewichtsreduktion...
das ist schon nicht verkehrt bei nem derart wuchtigen Flügel....

Die massigen Flügel sind ja häufig mit ein Problem wenns um diese Kategorie flügelgebremste Spinnräder geht..
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